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Ziegers Zeilen (KW 10)

Eine Branche in der Krise. Von guten Analysen, falschen Rezepten für den Weg aus der Krise und der Nebelwand, durch die wir noch müssen.

Eine Branche in der Krise. Es werden weniger Autos verkauft. Aber ein paar mehr Stromer, aber auch nur deswegen, weil es letztes Jahr weniger waren. Teslas gegen jeden Trend noch weniger. Nicht nur in Deutschland, auch in China. Und die Tesla Aktie bricht auch noch ein. Quelle hierfür ist der Spiegel. In der Online – Ausgabe berichtet der Spiegel über den deutschen Automarkt. Insgesamt erlitt der Automarkt in Deutschland im Februar einen Dämpfer. Über alle Antriebsarten hinweg wurden 203.434 Autos neu zugelassen, das sind 6,4 Prozent weniger als im Vorjahr. Seit Jahresauftakt summiert sich das Minus damit auf 4,6 Prozent. 

Erklären tut dies im Spiegel die Beratungsfirma EY, früher Ernest & Young. Sie haben sich den Automarkt und die letzten Zahlen intensiv angeschaut. Zitat noch einmal aus dem Spiegel: „Das Niveau der Neuzulassungen bei den E-Autos lag laut EY im Bereich der Vormonate. Das auf den ersten Blick derzeit hohe Wachstumstempo bei Elektroautos erweise sich also bei näherem Hinsehen als Stagnation, sagte Constantin Gall, Automarktexperte bei EY. Er sah noch »keine positive Trendwende«. »Von einem echten Hochlauf der Elektromobilität sind wir immer noch weit entfernt.«

In einer eigenen Presseverlautbarung erläutert der Experte seine Zahlen. Die Automobilindustrie befindet sich in einer echten Krise. Und er analysiert die Gründe, die vielfältig sind. Fehlende Flexibilität und unklare Positionierungen sieht er. Zitat hier: „Auch ein zu umfangreiches und ausdifferenziertes Modellportfolio mit einer Vielzahl von Derivaten kostet Geld und führt dazu, dass Skaleneffekte nicht realisiert werden können.“ 

Eine Menge Kritik und Verlierer sind am Ende der Kette die Zulieferer. Sie verlieren offenbar noch deutlicher. Sie müssten eigentlich investieren, können dies aber nicht. „In Deutschland stehen bei den Zulieferern aktuell 267 Tausend Arbeitsplätze auf dem Spiel. Zum Vergleich: Im Vor-Corona-Jahr 2019 waren noch 310 Tausend Personen bei Zulieferern in Deutschland beschäftigt – seitdem wurden also gut 43.000 Stellen abgebaut.“ Eine Branche in der Krise. Der Experte Gall fordert eine schnelle klare Positionierung der Politik. Auch eine schnelle Entscheidung zur Frage der Zukunft des Verbrenners. In welche Richtung sagt er nicht.

Auch die EU hat sich gemeldet. Zum gleichen Thema. Aber nicht befeuert durch EY sondern durch die offensichtliche Krise der Branche. In einem Beitrag im Online-Medium Ecomento lesen wir, dass die EU die Autobranche entlasten und E-Mobilität weiter fördern will. Dazu gibt es einen Aktionsplan für die Automobilbranche. Die Kommission will zwar die Regelung für die CO2-Flottengrenzwerte abschwächen, sieht parallel aber ein Beistands-Paket für die Elektromobilität vor.

Für die Automobilbranche wird es bei den Milliardenstrafen für die Nichterfüllung der Flottengrenzwerte bleiben. Aber sie müssen nicht mehr soviel Angst haben, denn die EU will den Unternehmen die Möglichkeiten geben, die Flottengrenzwerte stattdessen in den kommenden drei Jahren zu erreichen. Zitat der Kommission aus dem Plan: „Die Änderung würde es den Automobilherstellern ermöglichen, eine Überschreitung der Zielvorgaben in einem oder zwei Jahren durch Übererfüllung in den anderen Jahren zu kompensieren.“

Auch sonst ist die EU unzufrieden. Förderprogramme werden zu häufig geändert, abgeschwächt oder abgeschafft. Das stört offenbar. Ein einheitliches Vorgehen sei besser. „Sozial-Leasing-Programme“ sowie ein größerer Fokus auf Firmenflotten ist die Maßgabe aus Brüssel. Außerdem würden „Möglichkeiten für mögliche Anreizsysteme auf EU-Ebene geprüft“. Na dann. Ob das die EU besser machen kann, als die nationalen Regierungen, die schon ein wenig näher dran sind, ist eine offene Frage.

Auch beim „Verbrennerverbot“ zeigt sich die Kommission unnachgiebig nachgiebig! Zitat: „Das Klimaneutralitäts-Ziel 2035 für Autos schafft Vorhersehbarkeit für Investoren und Hersteller. Die Europäische Kommission wird die Arbeiten zur Vorbereitung der geplanten Überarbeitung der Verordnung beschleunigen.“ Es soll also überprüft werden. Das war sowieso vorgesehen. Umfassend, und schnell und vielleicht sogar noch ein bisschen schneller, also schon im Herbst 2025.

Und jetzt? Die Branche in der Krise. Aber offensichtlich sollen die alten Rezepte weiterhelfen. Das zeigt der Blick auf die Richtlinie für die schweren LKW. Zitat erneut: „Die Kommission will zudem die Einführung von emissionsfreien schweren Nutzfahrzeugen beschleunigen. Dazu ist unter anderem eine Änderung der Eurovignetten-Richtlinie vorgesehen, um die Frist für die Befreiung der E-Lkw von Straßenbenutzungsgebühren über den 31. Dezember 2025 hinaus zu verlängern. Und die Novellierung der EU-Richtlinie zu Lkw-Gewichten und -Abmessungen soll „die Nutzlastparität mit Dieselfahrzeugen künftig sicherstellen“. Klingt spannend, heißt aber nichts anderes, dass das Laderaumvolumen bei den unterschiedlichen Fahrzeugen kostentechnisch angeglichen wird.

Das alles klingt nicht gut. Was die Branche bräuchte, wäre Technologieoffenheit. Echte Technologieoffenheit. Es geht nicht um den favorisierten Antrieb. Es geht um Klimaschutz. Und bei den Automobilkonzernen geht es auch Handlungsfreiheit. Auch damit sie das umsetzen können, was bei den Experten von EY beschrieben wird.

Wir schauen gespannt auf die Ergebnisse der Sondierungs- und Koalitionsverhandlungen. Die Zukunft und die Sicherheit Europas wird nicht umsonst zu haben sein. Das wissen wir schon. Bis zum Ende dieser Verhandlungen liegt vieles noch hinter einer Nebelwand. Aber es wäre wichtig, wenn auf dem Feld der Arbeitsplatzsicherheit in der Automobilbranche und auch des Klimaschutzes im Verkehr ein wenig Richtung hereinkäme.Zeit dafür wäre.

Zeit auch für einen Sonntagspaziergang. In diesem Sinne einen schönen Sonntag und eine schöne Woche,

 

Stephan Zieger

 

 

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