Ziegers Zeilen (KW 50)
Der Klimagipfel ist vorbei. Er hat viele Gewinner und alle haben dazu beigetragen, dass er nicht scheitert. Viele große Buchstaben. Und ein Grundtenor: der Einstieg in den Ausstieg. Das kommt einem bekannt vor. Ja, Sie erinnern sich richtig. Der Einstieg in den Ausstieg aus der Kernenergie. Weitere Parallelen? Auf den ersten Blick (noch) nicht. Der damalige Einstieg wurde ja zumindest kurzzeitig wieder zurückgenommen, um dann umso heftiger in den Ausstieg wieder einzusteigen.
Aber ein echtes Bekenntnis ist es nicht geworden. Dennoch: Erstmals hat sich die Weltgemeinschaft zumindest auf dem Papier zu einem Abschied von Kohle, Öl und Gas bekannt. Die Staaten einigten sich auf einen Übergang weg von den fossilen Brennstoffen. Völkerrechtlich verbindlich ist dies alles nicht. Aber ein Signal. Gemeinsam ist allen Beschlüssen zumindest ein Wille. Zitat: Die Staaten werden aufgerufen, die Kapazitäten erneuerbarer Energien bis zum Jahr 2030 zu verdreifachen. Im gleichen Zeitraum soll die Energieeffizienz verdoppelt werden. Damit ist zumindest der Instrumentenkasten halbwegs definiert. Jetzt sollen die nationalen Regierungen und die internationalen Institutionen das Thema entsprechend angehen. In den Wochenendausgaben der Zeitungen und Magazine wird sicherlich eine Menge dazu zu lesen sein.
Vielleicht lesen Sie nicht von einer weiteren Parallele zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Thema Schuldenbremse. Es liegt auch nicht direkt nahe. Oder vielleicht doch? Das Urteil des höchsten deutschen Gerichtes zwingt den Staat, sich zu besinnen. Geld ist doch eine knappe Ressource. Jetzt kommen eine Reihe von unpopulären Maßnahmen auf den Tisch. Das hätte man vermeiden können. Hätte man. Aber wie gesagt: Hinterher hat man es meist vorher schon besser gewusst. Manche. Gut, wenn man es nicht beweisen muss. Aber jetzt gilt es.
Und wo liegt jetzt die Parallele zu den Beschlüssen des Klimagipfels? Darin sicherlich, dass man den Instrumentenkasten ordnet. Was steht an Maßnahmen zur Verfügung? Was will bzw. muss ich erreichen? Vor allem. Wir erinnern uns. Kapazitäten verdreifachen. Effizienz verdoppeln. Und dass, ohne dass es zum Stillstand der Gesellschaft kommt. Deswegen muss ich mir jeden Baustein anschauen und gegebenenfalls neu bewerten. Und wenn man es mit einer weitgehend kernkraftfreien Gesellschaft, mit Kohle- und Gaskraftwerken und einem bislang noch nicht ausreichenden Ausbau an erneuerbarer Energie zu tun hat, dann darf ich in diesem frühen Stadium nicht einfach einen oder mehrere Bausteine ausschließen. Einer davon sind die E-Fuels. Sie gehören energischer als bisher wieder auf den Tisch. Sie können nämlich einen großen Beitrag leisten. Im Verkehr beispielsweise.
Ein Baustein in diesem Zusammenhang ist die 37. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz. Die ist jetzt beschlossen worden. Und sie hilft den E-Fuels. Zumindest ein bisschen. Immerhin. In den IWR-Nachrichten, einem Onlinedienst des Internationales Wirtschaftsforums Regenerative Energien (IWR), wird wie folgt berichtet: Mit der Novelle (…) stellt die Bundesregierung klar, dass Wasserstoff nur dann als „grün“ gelten darf, wenn der bei seiner Herstellung eingesetzte Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien nicht-biogenen Ursprungs stammt. Außerdem muss der CO2-Ausstoß der gesamten Produktion durch die Nutzung von grünen Wasserstoff um mindestens 70 Prozent gesenkt werden.
Dabei werden die Emissionen über die gesamte Lieferkette berücksichtigt, unter anderem auch für den Transport des grünen Wasserstoffs. Diese Anforderungen gelten genauso für die Produktion von mit grünem Wasserstoff erzeugten E-Fuels für Straßenfahrzeuge und weitere erneuerbare Kraftstoffe nicht-biogenen Ursprungs (Renewable fuels of non-biological origin, RFNBO).
Auch bei der Anrechenbarkeit von RFNBO auf die THG-Quote des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gibt es eine Verbesserung. RFNBO können dann mit dem Faktor 3 statt Faktor 2 auf die THG-Quote angerechnet werden.
Und prompt reagiert ein anderer Teil des Verkehrsbereichs. Die Luftfahrtbranche kritisiert die Beteiligung des Straßenverkehrs. Das ist natürlich schön. Aber vielleicht sollte man statt zu kritisieren selber investieren. Das macht der Mittelstand, das macht Porsche. Warum nicht Lufthansa?
Das war's für heute. Wir sind ermutigt, aber nicht übermütig. Die E-Autobranche kritisiert den Wegfall der Prämien. Aus dem Finanzministerium ist zu hören: Eine Prämie bekomme nur noch der, der sie bereits beantragt hat. Man wird sehen. Die Regierung ist ja noch nicht durch mit ihren internen Diskussionen. Vielleicht sollte man den Focus lesen. Eine aktuelle Studie des Forschungszentrums Jülich fand jetzt heraus, dass E-Autos bereits ab 2025 günstiger sein werden als Verbrenner. Demnach sei nach Ansicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ein Verbrenner-Verbot gar nicht notwendig (…). Und dann wohl auch keine Verkaufsprämien.
Ein schönes drittes Adventswochenende wünschen wir. Und Achtung: Die Hälfte des letzten Jahresmonats ist auch schon herum. Die Zeit rast. Nutzen Sie sie.
Ihr Stephan Zieger