Ziegers Zeilen (KW 47)
Für E-Fuels gibt es offenbar nur noch Hintertüren. Von so einem Hintertürchen berichtet jetzt das Online-Magazin „elektro-auto-news“. „E-Fuels: Auch bei Nutzfahrzeugen lässt die EU die Hintertür offen“, so lautet die Überschrift über einem aktuellen Beitrag im Magazin. Gemeint ist nichts anderes als die Entscheidung des EU-Parlaments zur Reduktion von CO2-Emissionen bei Nutzfahrzeugen. Zur Abstimmung stand die „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EU) 2019/1242 im Hinblick auf die Verschärfung der CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und die Einbeziehung von Meldepflichten sowie zur Aufhebung der Verordnung (EU) 2018/956“. Im Ergebnis hat man erst einmal so eine Art „Verbrenner-Aus“ für Lkw beschlossen.
Rumms! Hersteller von Nutzfahrzeugen müssen den CO2-Ausstoß im Flottendurchschnitt gegenüber 2019 bis 2030 um 45 Prozent verringern, bis 2035 um 65 Prozent und bis 2040 um 90 Prozent. Das ist die Entscheidung, die das EU-Parlament nun mit deutlicher Mehrheit beschlossen hat. Vorerst werden E-Fuels und biogene Kraftstoffe bei der Berechnung nicht berücksichtigt. Und jetzt kommt das Hintertürchen: Binnen eines Jahres nach Inkrafttreten der Verordnung, also bis 2027, soll ein Vorschlag vorgelegt werden, wie mit diesen E-Fuels betriebene Fahrzeuge ebenfalls berücksichtigt werden können.
Alle anderen Vorschläge, wie den, einen Korrekturfaktor für E-Fuels einzufügen, hat das Parlament abgelehnt. Der Carbon-Correction-Factor, der hier gemeint ist, ist ein Faktor, der bei der endgültigen Zertifizierung der CO2-Emissionen eines Fahrzeugs den tatsächlich geleisteten Emissions-Reduktionsbeitrag von Kraftstoffen berücksichtigt. Nach Ansicht der E-Fuels-Befürworter gewährt dieser Faktor eine faire und realistische Berechnung der CO2-Emissionen. Denn wir alle wissen: Strom ist zwar am Auspuff sauber. Das ist aber das Einzige, was Strom im Moment gewährleisten kann.
Kommen wir noch mal auf die Berichterstattung über die Entscheidung zurück. Zitat hierzu aus den elektro-auto-news: „Es steht aber, dass zumindest bis 2027 nur batterieelektrische und wasserstoffbetriebene Nutzfahrzeuge den Emissionswert der Flotte nennenswert senken können. Auf E-Fuels und Biokraftstoffe zu setzen, wird also auch im Lkw-Bereich zunehmend zur riskanten Wette.“
Vielleicht ist das die Strategie hinter dem Hintertürchen, das im Parlament nur eine kleine Mehrheit fand. Vielleicht. Vielleicht, und das ist unser Fazit, kann auch das Verhindern einer Alternative genauso eine riskante Wette sein. Nur steht man dann mit leeren Händen da.
Auf einen anderen Beitrag wollen wir an dieser Stelle Ihr Augenmerk lenken: „Zahl der Ladestationen wächst schneller als die der E-Autos.“ Das konnten wir gerade in der Auto-Bild lesen. Der VDA hat das festgestellt. Stichtag war der 1. Juli 2023. Und die festgestellte Zahl kann sogar noch höher sein, denn nicht alle Stationen werden über die Bundesnetzagentur gemeldet. Quelle für die Auto-Bild ist die Bundesnetzagentur. Laut dieser waren zum 1. Juli 2023 mehr als 101.400 öffentlich zugängliche Ladepunkte für E-Autos und Plug-in-Hybride amtlich gemeldet. 81.562 davon waren Normalladepunkte (AC) und 19.859 Schnellladepunkte (DC). Auto-Bild hat gleich gerechnet. Auf 21 Elektroautos kommt ein Ladepunkt. Ist doch was. Auf 47 Millionen Verbrenner kommen übrigens aktuell knapp 14.000 Tankstellen. Das können Sie in unserer Branchenstudie nachlesen. Dass es zu wenig Tankstellen gibt, konnten Sie noch nie nachlesen. Dass es zu wenig Ladepunkte gibt, allerdings schon öfter. Und für Lkw, damit sind wir bei der oben abgeschlossenen Wette, in den letzten Tagen sogar noch häufiger.
Das Beste aber zum Schluss. Leider zu spät für die Debatten im europäischen Parlament. Dennoch: Stellantis-Chef Carlos Tavares hat sich mit der Politik und mit der Elektromobilität auseinandergesetzt und seine Sicht der Dinge präsentiert. Stellantis ist der Mutterkonzern von Peugeot, Citroen, Fiat, Opel und weiteren bekannten Marken. Insgesamt sind es vierzehn. Tavares hat die EU-Kommission dafür heftig kritisiert, sich ausschließlich der Elektromobilität verschrieben zu haben. Es sei die kostspieligste Entscheidung gewesen. Wesentliche Fragen blieben unbeantwortet. Tavaris wörtlich: „Woher kommt die erneuerbare Energie, um die E-Fahrzeuge mit Grünstrom zu laden? Wie sollen die CO2-Emissionen der 1,4 Milliarden Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren, die aktuell weltweit auf den Straßen fahren, drastisch reduziert werden?“
Tavaris befürchtet, dass die Subventionen nicht dafür ausreichen, die breite Bevölkerung mit erschwinglichen Fahrzeugen zu versorgen. Das Verbrenner-Verbot würde der hart arbeitenden Mittelklasse schaden, die bezahlbare Autos braucht, um zur Arbeit zu fahren, so Tavares. Wenn man die Menschen ihres Rechts auf freie, individuelle Mobilität beraubt, riskiere man „Revolten unter anderem in Frankreich, Portugal und Deutschland“.
Womit wir schon wieder bei der Frage wären, die wir bei der Besprechung des ersten Artikels aufgeworfen haben. Der riskanten Wette auf die Zukunft. Und wenn wir Herrn Tavares zuhören, ist die sehr riskant.
In diesem Sinne, ein schönes Wochenende!
Ihr Stephan Zieger