Ziegers Zeilen (KW 40)
Heute ist der Tag des Lächelns. Mit Sicherheit ist heute auch noch ein anderer Tag. Aber der World-Smile-Day hat es mir angetan. Er hat sogar eine eigene Internetseite. Schön bunt und voller lächelnder Gesichter. An einem solchen Tag sollte man etwas Freundliches schreiben. Wird schwer, wenn man die Nachrichtenlage sieht. Aber einen Versuch ist es wert.
T & E, meine Lieblings-NGO mit dem Faible für E-Fuels, hat wieder einmal zugeschlagen. Sie haben sich mit dem CO2-Ausstoß von E-Fuels beschäftigt. Wir erinnern uns. E-Fuels werden hergestellt, indem man den Verbrennungsvorgang umkehrt. Man nimmt das CO2 aus der Luft, trennt es, fügt ein Wasserstoffatom hinzu und bekommt eine Kohlenwasserstoffverbindung. Die kann man verbrennen. Das ist CO2-neutral. So soll es sein. Wir nennen es die Molekülwende. Statt fossiler Kohlenwasserstoffketten gibt es jetzt grüne Kohlenwasserstoffketten. Den Prozess federn wir mit grüner Energie ab, damit er komplett grün ist.
T & E hat sich ans Rechnen begeben. Nicht in diesem Jahr und nicht im nächsten Jahr. Das ist fair – gegenüber der Elektromobilität. Denn tatsächlich sind am heutigen Mittag noch 30 Prozent Strom fossil. Heute morgen lag der Anteil es höher. Heute Abend auch wieder. Bei der Bundesnetzagentur kann man sich das Wechselspiel anschauen. Fossil bleibt im Mix drin.
Aber gehen wir ins Jahr 2035. T & E sieht einen CO2-Ausstoß von 13 g CO2-Äquivalent pro Kilometer (CO2 e/km), wenn E-Autos ab 2035 mit Strom aus dem durchschnittlichen EU-Netz geladen werden würden. Bei E-Fuels sieht sie – nach den Wissing-Kriterien – 61 g CO2 e/km. Wissing plädiert für eine 70-prozentige CO2-Neutralität.
Wissen sollte man, dass beide Ergebnisse auf Annahmen beruhen. Die Stromwende müsste funktionieren. Das ist beim heutigen Stand höchst zweifelhaft. Strom wird immer genug da sein, aber es muss ja grüner Strom sein. E-Fuels können das erreichen. Selbst T & E bestreitet das nicht. Deshalb muss man die Tür aufmachen. Und es muss ein Fahrplan für die Mobilitätswende erarbeitet werden. Für den Strom hat man das zugelassen. Jedenfalls nimmt man das an.
Wir zitieren mal Quarks & Co in einem sehr lehrreichen Beitrag, der wiederum auf viele andere Studien zurückgreift: Um am Ende eine stabile Stromversorgung zu erreichen, müssen all diese verschiedenen Faktoren kombiniert und aufeinander abgestimmt werden. Viele von ihnen bedingen sich dabei gegenseitig: Bleibt etwa die Bereitschaft aus, auch ortsnah massiv Windkraftanlagen auszubauen, braucht es zum Ausgleich deutlich mehr Photovoltaik und damit auch größere lokale Speicherkapazitäten, weil solare Stromerzeugung natürlicherweise stärker schwankt als jene aus Wind. Wird hingegen vor allem die Offshore-Windkraft in der Nordsee ausgebaut, müssen die Übertragungsnetze besonders stark ausgebaut werden, um den Strom durch das Land zu transportieren.
Und das zweite Zitat aus diesem Beitrag von Quarks: Tatsächlich bleiben in der Studie wichtige Fragen unbeantwortet: Wo und wie soll der radikale Zubau erneuerbarer Stromerzeugung so schnell stattfinden? Ist es wirklich realistisch, bis 2035 Wasserstoff in so großen Mengen – die Studie geht von 400 bis 900 Terawattstunden pro Jahr aus – für die Stromerzeugung zur Verfügung zu stellen?
Zurück zu den E-Fuels. Die positive Wirkung der Molekülwende wird nicht bestritten. Er wird aber madig gemacht mit den üblichen Argumenten: Energieeffizienz. Schadstoffausstoß. Kosten. Ersteres ist eine Frage des Einsatzes der grünen Energie bei Herstellung von E-Fuels. Zweiteres eine Frage der Filtertechnik. Das letzte eine Annahme. Die geht auf oder nicht. Das gilt aber auch für den Strom.
Vielleicht ist das positive an dem Bericht von T & E ja, dass eben die Wirkung pro Klima nicht länger bestritten wird. Ein Grund zum Lächeln.
Ihr Stephan Zieger