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Ziegers Zeilen (KW 35)

Kennen Sie „Yin und Yang“? Oder „hell und dunkel“, „süß und salzig“ oder viele andere Beispiele mehr? Begriffspaare, die sich aneinander erklären. Sie negieren sich und/oder sie stehen in einer gegenseitigen Bedeutungsbeziehung.

So etwas gibt es in der Literatur und in der politischen Rhetorik. Da gibt es viele Anwendungsfelder. Warum wir heute darüber reden? Diese Woche gab es zwei davon in den Zeitungen. Am Montag berichtete die WirtschaftsWoche darüber, dass die Subventionen für batterieelektrische Fahrzeuge deutlich gekürzt würden. Das, so die WirtschaftsWoche, werde nicht ohne Folgen bleiben. Ein dramatischer Kaufrückgang wird die Folge sein. Die WirtschaftsWoche titelt: „E-Autos: Preisschock mit Ankündigung“. Zugleich berichtet das Online-Magazin „Der Aktionär“, dass noch ein Preisschock bevorstehe. Auch dieser offensichtlich mit Ansage. „Mercedes-Benz, Volkswagen & Co: Preisschock bei E-Autos – das hat Tesla vor.“ Tesla betreibt dies tatsächlich mit Ansage. Schon im April berichteten zahlreiche Zeitungen über den Preiskampf bei E-Autos" und bezeichneten dies als „besorgniserregenden Trend“. Heute nun, am 1. September 2023, schlägt unser Lieblingsexperte Ferdinand Dudenhöffer zu: „Autopapst Dudenhöffer über Tesla und E-Autos aus China: Darum wird es für VW und Co. gefährlich.“ Der Artikel ist lesenswert. Denn tatsächlich tobt ein heftiger Preiskrieg auf dem internationalen Markt und vor allem auf dem chinesischen Markt. Zündeln tut Tesla, aber ob sie am Ende die Gewinner sein werden, ist zumindest laut Professor Dudenhöffer fraglich. Deutsche Marktführer sieht er in Zukunft keine. Eher einen chinesischen Konzern. Und das, obwohl die Autobauer in diesem Jahr gut verdienten.

Wenn man sich diesen Markt anschaut, weiß man eigentlich nicht, wo und wie man helfen könnte. Will man Elektromobilität, müsste man die Förderung uneingeschränkt fortsetzen. Zugleich fördert es diejenigen, die mit dem starken Ehrgeiz einer Marktführerschaft in den Markt drängen. Das zeigt: In diesem Markt läuft etwas falsch. Die deutschen Konzerne haben, massiv gefördert aus Steuermitteln, eine Stromerflotte entwickelt, die nicht wettbewerbsfähig ist. Zu groß, zu teuer, kein Massenprodukt. Das hat man gemacht, um im größten Markt der Welt, in China, Geld zu verdienen. Es hat aber nicht funktioniert. Jedenfalls nicht dauerhaft. Jetzt kommt der Gegenwind. Und die Konzerne stehen schutzlos da. Denn der Ruf nach dem Staat stärkt eben auch die anderen. So ist das, wenn man einen Markt massiv auf Subventionen aufbaut.

Und das gilt auch für das andere Begriffspaar dieser Woche. Der Verband der Automobilindustrie (VDA) beklagt ein Defizit bei der Ladeinfrastruktur. Der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) bezeichnet sie als ausreichend. Im „Autohaus“ lesen wir: Energiebranche: Ausstattung mit E-Ladesäulen sehr komfortabel.“ Zitat aus diesem Artikel: „Zum 1. Juli standen Fahrerinnen und Fahrern von Elektroautos nach einer Erhebung des Verbands 100.838 öffentliche Ladepunkte mit einer Leistung von insgesamt 4,5 Gigawatt zur Verfügung. Damit bewege sich Deutschland deutlich oberhalb der EU-Vorgaben. Die öffentlichen Ladepunkte waren laut BDEW im Durchschnitt zu 11,6 Prozent der Zeit belegt.“  

Das Gegenteil behauptet Hildegard Müller vom VDA in einem Interview zur zweiten Auflage der IAA Mobility, der früheren Internationalen Automobilausstellung. Dort erneuert sie den Vorwurf, dass die Ladeinfrastruktur nicht ausreichend sei. Zitat: „Deutschland (hinkt) massiv hinter dem eigenen Zeitplan (…) her. Der Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge ist daher eine der drängendsten Infrastrukturaufgaben für Deutschland, der viel entschlossener angegangen werden muss. Um die ehrgeizigen Ziele zu erreichen, braucht es ein strategisches Konzept und regelmäßige Überprüfungen.“ Anderswo konnte man schon ein wenig früher lesen, dass sich das Ausbautempo vervierfachen muss.

Was sagt uns das alles? Ein wirkliches Konzept zum Thema Elektromobilität liegt nicht vor. In China will man Elektromobilität aus Umweltgründen. Das Klima ist zumindest aus unserer Sicht nicht vorrangiges Thema. Hier in Deutschland hat die Politik in der Elektromobilität ein Instrument gesehen, das Klimathema anzugehen. Die Automobilbranche hat sich darin gefallen, diesen Trend noch massiver zu befeuern. Die Strombranche hat das ebenfalls nachhaltig unterstützt. Jetzt tritt man auf der Stelle. Vielleicht ist es an der Zeit, das Thema noch einmal umfassend zu betrachten. Ein durchgängiges Konzept für das Klimathema fehlt allerorten. Hier muss die Industrie Impulse geben. Ohne staatliche Hilfen wird man nicht vorankommen. Aber ein offeneres Konzept wäre sicherlich von Nöten. Technologieoffen fürs Klima und für die Umwelt.

Womit wir wieder beim Anfang angelangt wären: Yin und Yang. Die Negation, die sich gegenseitig bedingt.

Ihr Stephan Zieger

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