Ziegers Zeilen (KW 31)
Am 3. August 2023 stand ein Beitrag aus dem Online-Magazin eFahrer ganz oben in meiner Google-Alerts-Liste zum Thema E-Fuels. Deutsche Forscher, war da zu lesen, sprächen jetzt Klartext. Der breite Einsatz von E-Fuels ist sinnlos. Das ist schon mal eine mächtige Ansage. Als ausgewiesener Anhänger von E-Fuels macht ein solcher Aufschlag natürlich neugierig. Was hatten die Forscher jetzt Neues zu verkünden? Und siehe da. Es waren fünf Punkte, die die Forscher „herausgefunden“ haben.
Das erste Argument: Es ist nicht genug da. Das stimmt. Und wichtiger, aus der Sicht der Forscher: Es wird auch nie genügend da sein. Es wird deswegen nicht genügend da sein, weil nicht so gebaut wird. Prima Argument. Dem kann man nur entgegenhalten: Dann lasst die Molekülwende doch endlich beginnen. Schafft die notwendigen Rahmenbedingungen und legt los.
Argument zwei: Wenn es doch gelingt, genügend zu produzieren, dann ist es zu teuer und nur die Reichen können sich das leisten. Sozialneidargumente waren bisher nie naturwissenschaftlich. Vielleicht lohnt sich ein Hinweis, welche Stromer zur Zeit gebaut werden und welche nicht und was sie im Vergleich zu Verbrennern kosten.
Argument drei: Der Ausbau der Energieinfrastruktur, der erforderlich wäre, um in nennenswertem Umfang E-Fuels produzieren zu können, würde indes zu beachtlichen ökologischen Herausforderungen führen. Naja, wir wollen nicht so kleinlich sein. Wenn die Forscher wollen, könnte man sich über die Rohstoffsituation bei Stromern gerne unterhalten.
Argument vier: Es ist nicht genug Geld für Fördermaßnahmen da. Gut, das stimmt möglicherweise. Aber es scheint mir wohl eher eine Frage der Verteilung und nicht eine der Verfügbarkeit zu sein.
Das fünfte und letzte Argument ist mein Favorit. Es steht auf Seite 9 der Studie. Wenn man zu sehr an den E-Fuels arbeitet, verliert der geneigte Verbraucher die Lust an der E-Mobilität. Bürgerinnen und Bürgern entwickeln dadurch falsche Vorstellungen im Hinblick auf die Mobilität der Zukunft. Auch dies könne die Verkehrswende noch weiter verzögern. Und das ist schlecht. Dieses Argument ist beinahe selbst Nobelpreisverdächtig. Es gibt da diesen Ig-Nobel-Preis. Ganz ernsthaft. Verliehen von der Universität im englischen Cambridge. Mein Lieblings-Ig-Nobelpreis wurde im Jahr 2017 vergeben. Für einen Beitrag, wie man es vermeiden kann, Kaffee zu verschütten. Einfach den Becher oben festhalten und rückwärts laufen. Der Lieblingspreis meines Kollegen im Büro wurde im Jahr 2012 verliehen: An ein internationales Forscherteam. Es fand heraus, dass der Eiffelturm kleiner wirkt, wenn man sich nach links lehnt.
Zurück zur Studie: Ein Argument gegen E-Fuels und dort auch gegen Kraftstoffe aus abfallbasierten Reststoffen macht uns ratlos. Auf Seite fünf argumentieren die Forscher, das alles stünde ja erst am Anfang. Aber ist das wirklich ein Argument dagegen? Das dürfen Sie selbst entscheiden. Aber wenn das wirklich ein ernsthaftes Argument ist, wären viele Entwicklungen nicht passiert. Keine Entwicklung von Verbrennern gegen Pferdekutschen. Keine Computer gegen Schreibmaschinen. Ihnen fallen sicherlich bessere Beispiele ein. Das Bessere ist immer ein Feind des Guten.
Und am Ende zurück zu den Forschern. Originell sind deren Argumente nicht. Wir meinen, dass sie schon vor einiger Zeit so veröffentlicht worden sind. Aber egal. Jedenfalls insoweit. Noch nicht einmal neuer Wein in alten Schläuchen. Vielleicht ein Zweitaufguss während der Ferienzeit. Früher gaben sich Forscher damit zufrieden, in der Sommerzeit herauszufinden, dass Nessie doch lebt. Im Loch Ness in Schottland.
Die Fraunhofer-Forscher sind in Karlsruhe beheimatet. Dort sitzt ein anderer Forscher, der ganz andere Thesen zum Thema E-Fuels veröffentlicht hat. Prof. Dr. Thomas Koch. Er sitzt nur einen sprichwörtlichen Steinwurf entfernt von den Fraunhofer-Forschern. Vielleicht musste deswegen das Prädikat Fraunhofer her. Aber selbst im Hause Fraunhofer sind die Forscher nicht alleine. Ein Fraunhofer-Institut in Dresden forscht gerade an der gleichen Frage. Die These der Kollegen in Dresden: Für den Verkehrssektor sind synthetische, CO2-neutrale Kraftstoffe (E-Fuels) eine vielversprechende Lösung. Und weil ihm der Prozess zur Herstellung noch nicht effizient genug ist, forscht in Dresden Dr.-Ing. Stefan Megel, Gruppenleiter Keramische Energiewandler am Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (IKTS), an der Optimierung des Herstellungsbetriebes. Zitat aus der Projektdarstellung: „Darüber hinaus wollen die Forschenden den stofflichen und energetischen Wirkungsgrad des Power-to-Liquid-Prozesses durch Optimierung der Fischer-Tropsch-Katalysatoren erhöhen. Neben den technischen Entwicklungen führt das Fraunhofer IKTS auch eine techno-ökonomische Bewertung der neuen Technologien durch.“
Wenn man sich in Karlsruhe schon nicht einig ist. Und wenn man sich bei Fraunhofers nicht einig ist, wäre es doch nicht mehr als fair, auf die großen Buchstaben zu verzichten und den E-Fuels auf den Zahn zu fühlen. Das kann man aber nur mit echter Technologieoffenheit.
Ihr Stephan Zieger