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Ziegers Zeilen (KW 30)

Die guten ins Töpfchen und die schlechten ins Kröpfchen oder die Frage nach der Nutzungskonkurrenz bei HVO

HVO ist da. Endlich und niemand berichtet Nachteiliges über den neuen Kraftstoff. HVO 100 ist der Nachweis, dass flüssige Kraftstoffe ihren Beitrag zur Klimawende leisten könnten. Unter allen Kritikpunkte kommt plötzlich das Argument der Nutzungskonkurrenz hoch.

Nutzungskonkurrenz war früher die „Tank-Teller-Diskussion“. Bei den Biokraftstoffen der ersten Generation gab es das Problem. Die Diskussion ist bekannt. Wir müssen das an dieser Stelle nicht wiederholen.

Dafür kommt eine andere Diskussion nach oben. Die Nutzungskonkurrenz bei E-Fuels und jetzt bei HVO. In mehrere Veröffentlichungen war jetzt zu lesen, dass durch die Herstellung und Verwendung von HVO die Grundstoffe und auch das Endprodukt anderen, gemeint sind dann immer „vorrangigen“ Anwendungen, entzogen wird.

Es heißt, der Verkehr braucht keine HVOs. Die brauchen andere. Der Luftverkehr oder die Grundstoffe braucht die Futtermittelindustrie oder die Abfallwirtschaft. So heißt es in einem Beitrag der Rheinischen Post: Die meisten Reststoffe wie Pflanzenöl werden schon jetzt in der chemischen Industrie oder beim Kompostieren verwendet. So entstehe eine Art Nutzungskonkurrenz, heißt es von Verbraucherschützern. Auch Umweltorganisation der unterschiedlichsten Provenienz verwenden dieses Argument. Manchmal sogar gleichlautend. Das erinnert ein wenig an das Märchen vom Aschenputtel: „Die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.“

Jetzt wollen wir nicht diskutieren, ob das wirklich so ist. Tatsächlich entstehen auch hier wieder Abfallstoffe, die in der Futtermittelindustrie verwendet werden können, oder die in der Abfallwirtschaft verwendet werden können. Dafür gibt es zahlreiche Belege. Wer will mag das suchen.

Wichtig ist ein anderes Argument, und darüber wollen wir einmal kurz nachdenken. Es ist ein grundsätzliches Argument. Nämlich, der Verkehr soll es nicht verwenden. Für den Verkehr haben wir doch eine ganz andere Lösung. Das gilt auch für den Wasserstoff. Und für die E-Fuels. Wenn andere Argumente nicht ziehen oder widerlegt sind. Es gibt vorrangige Verwendungen. Nicht auf der Straße und nicht im Verkehr.

Dann lassen wir das Argument einmal sacken. Die platte Antwort, dass es dem CO² egal ist, mittels welcher Anwendung es vermieden werden kann, wird nicht akzeptiert. Das ist zu klein. Das Argument will keiner hören. Eine möglicherweise bestehende Nutzungskonkurrenz zwingt zu Kreativität. Und vielleicht zu einer Vielzahl von Lösungen. Darin liegt auch eine Chance.  

Für letzteres geben wir das Wort weiter an die Kraftstoffexperten von Springer Professional. Dort ist unter dem Titel „Wie sind die Aussichten für HVO?“ folgendes zu lesen:

„Nach Angaben von Neste-Experte Mats Hultmann sollen die Produktionskapazitäten erneuerbarer Kraftstoffe in den kommenden Jahren exponentiell ansteigen und voraussichtlich bereits 2025 weltweit 30 Millionen t erreichen. Aus technischer Sicht seien die Aussichten für eine Ausweitung der Produktion von erneuerbaren Kraftstoffen sehr positiv, betont Hultmann. 'Zwar gibt es eine Obergrenze für die verfügbare Menge an Rohstoffen eines bestimmten Typs, aber es werden ständig neue vielversprechende Materialien für die Verwendung in erneuerbaren Kraftstoffen entwickelt', so Hultmann. Neste untersuche unter anderem feste Siedlungsabfälle und recycelte Kunststoffabfälle sowie Algen und Lignozellulose. Darüber hinaus soll die Weiterentwicklung von Technologien wie Power-to-X (PtX) die Verfügbarkeit von erneuerbaren Kraftstoffen erhöhen.“

Trotzdem sind wir noch nicht beim ausschlaggebenden Argument was das Thema Nutzungskonkurrenz angelangt. Die entscheidende Frage ist nämlich, ob es überhaupt ein Argument sein kann. Die Nutzungskonkurrenz ist nämlich kein Sachargument, sondern eine Wertung. Nur gekleidet in ein Sachargument.

Jetzt stellen wir uns vor, wir alle würden elektrisch fahren. Mit nachhaltigem Strom. Nur wir. Wir verwenden kein HVO und E-Fuels, die kommen nur beim Luftverkehr vor. Heile Welt. Wir haben die Nutzungskonkurrenz positiv beantwortet. Also alles gut. Augen zu und ein gutes Gefühl haben.

Und jetzt kommt doch so ein verfluchtes Industrieunternehmen, das in Deutschland Aluminium herstellt, Zement herstellt, Stahl herstellt. Und es sagt uns, „Ihr alle mit Eurer Elektromobilität, Ihr nehmt uns den nachhaltigen Strom weg, den wir für unsere Industrien brauchen, um unsere Arbeitsplätze (in Deutschland/in Europa) zu halten.

Und dann? Vielleicht denken Sie noch einmal nach. Ist Nutzungskonkurrenz ein Sachargument oder nur eine Wertung?

Fürs Nachdenken ist Zeit. Es soll am Wochenende regnen. Zumindest hier. Und bei Aschenputtel ist die Nutzungskonkurrenz positiv beantwortet worden. Für die guten gab es eine Nutzung. Für die scheinbar schlechten auch. Jedenfalls wurden die Tauben satt. Und Aschenputtel bekam trotz aller Hindernisse ihren Prinzen. Und am Ende war alles gut.

 

Schönes Wochenende!

 

Stephan Zieger

 

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