Ziegers Zeilen (KW 3)
In der der Online-Ausgabe eines großen Wirtschaftsmagazins konnte man am Anfang des Jahres folgendes lesen: China baut eine Flotte von Megatransportern für den Neuwagentransport. Logistiker sind am Werk. Automobilhersteller, die hierzulande noch nicht den größten Bekanntheitsgrad haben, sehen sich anhand der Konkurrenz genötigt, eigene Transporter zu bestellen. Sogar Holztransporter, die aus Europa Holz nach China transportieren, sind auf einmal geeignet für Autotransporte. Auf Satellitenaufnahmen kann man riesige Parkplätze erkennen, die als Parkflächen für Exportflächen bereitstehen.
Wo man das alles nachlesen kann? In der Wirtschaftswoche in einem Beitrag, der sich „Wirtschaft von oben“ nennt. Und warum all dies überraschend ist? Die Antwort gibt die Wirtschaftswoche auch. In der Corona-Zeit hat man nicht so genau hingeschaut. Das scheint zu stimmen. Und in dem Beitrag sagt die Wirtschaftswoche auch genau, wann und wie es losgeht. Das Ziel: China will den globalen Markt in den nächsten Jahren mit Abermillionen von Autos überschütten – vor allem mit batteriebetriebenen. Der Zeitpunkt: Wenn all die im Beitrag geschilderten Dinge umgesetzt sind. Und dann platzt der Knoten.
Im Artikel der Wirtschaftswoche muss man die Schlussfolgerung noch selber ziehen. Schwer ist das nicht. Wer nach Jörg Wuttke googelt, braucht nicht selber zu denken. Der ehemalige Präsident der EU-Handelskammer in China wird da deutlich. Er spricht von einem Auto-Tsunami, den er aus China erwartet. Wir zitieren ihn aus einem Interview in der Online-Ausgabe von „themarket“ (NZZ) zum Thema Automobilbau in China, wo er erläutert, dass China eine Produktionskapazität von 50 Millionen Autos hat, von denen allenfalls 23 Millionen im Inland verkauft werden. „In den letzten Jahren sind in China Kapazitäten für die Produktion von 50 Mio. Autos – Verbrenner und Elektroantrieb – pro Jahr entstanden. Die inländische Nachfrage absorbiert etwa 23 Mio. Autos pro Jahr. Das heißt, es bestehen Produktionskapazitäten von etwa 27 Mio. Fahrzeugen pro Jahr, die exportiert werden könnten. Die Überkapazitäten können zur Zeit aber noch nicht verkauft werden.“ Befragt, wieso nicht antwortet, Wuttke wie folgt: „Weil die Schiffe für den Transport fehlen; diese riesigen Autofrachter, die heute hauptsächlich in der Hand von ausländischen Reedereien stehen. Normalerweise werden pro Jahr weltweit vier bis sechs dieser Schiffe gebaut. Doch dieses Jahr hat China sechzig Autofrachter geordert, und 2024 sollen nochmals sechzig hinzukommen. Das sind Schiffe, die 4.500 bis 8.000 Autos transportieren können. Ab 2025, wenn diese Frachter einsatzbereit sind, werden wir einen Auto-Tsunami aus China heraus erleben.“
Hier dagegen gibt es kein Konzept zur Elektromobilität, jedenfalls keines das trägt. Da will man eine Million Fahrzeuge auf die Straße bringen. Als man es dann endlich geschafft hat, gibt es ein paar Pressemeldungen. Aber erkennbare Schlussfolgerungen gibt es nicht. Man hätte ja einfach die Kaufförderung einstellen können, weil die Elektromobilität ja jetzt alleine laufen kann. Stattdessen baut man sie ab und auf einmal stellt man sie ein, weil kein Geld vorhanden ist. Ein Konzept sieht anders aus. Luca de Meo, der streitbare Präsident von Stellantis, spart nicht mit Kritik. In einem Interview in der gedruckten Ausgabe der FAZ vom 13. Januar 2024 sagt er klar und deutlich, dass es der EU an einem Konzept für die Elektromobilität fehle. Man könne beispielsweise nicht mit all den Auflagen aus Euro 7 einen preiswerten Pkw produzieren.
Andere werden da noch deutlicher. Der Verkehrsexperte vom BUND, Jörg Hilgenberg, wird in der FAZ ebenfalls deutlich. Zitat aus der FAZ: „Was gerade die deutschen Konzerne an E-Autos anbieten, ist für einen Großteil der Bevölkerung schlicht nicht finanzierbar.“ Bei Kleinwagen schlummere ein großes Potenzial. „Deutsche Konzerne verweigern jedoch aktuell bezahlbare E-Autos für die Masse.“
Was braucht es, um in dieser Gemengelage wieder Richtung zu finden? Staatliche Boni sind sicher nicht die richtige Lösung. Ein Konzept aber, dass Stärken ausspielt. Einer Studie der Unternehmensberatung Deloitte zufolge wollen die Deutschen ein Elektroauto von weniger als 30.000 Euro. Und, das muss europäische Hersteller und insbesondere deutsche Hersteller aufrütteln: Die Marke ist egal!
Zum Ausspielen der Stärken gehört nach unserer Ansicht der Verbrenner. Ganz wichtig. Und damit kommen wir auf einen Beitrag in der Online-Ausgabe vom Focus zurück. wird. Die Chinesen, mit der Kapazität, 50 Millionen Fahrzeuge zu produzieren, setzen auf den Verbrenner. Und auf synthetische Kraftstoffe. Der Focus insoweit wörtlich: „Am 7. Dezember 2023 erschien in China der Fahrplan zur Entwicklung der Automobilindustrie bis zum Jahr 2060. (…) Ein Verbrenner-Verbot wie in der EU und einigen anderen Ländern der Welt lehnt China ab und hält sich eine Alternative zur Batteriemobilität offen.“
Warum machen die Chinesen das? Weil sie es können und weil sie es wollen. Sie haben die Kapazitäten zum Bau der Autos. Und wichtig für die Produktion von eFuels: Chinas Produktionskapazitäten reichen aus, um die ganze Welt 2,5-mal mit Solarpanelen zu beliefern. Das letzte lesen wir wieder bei Jörg Wuttke. Dieses Mal im Handelsblatt-Interview.
Die Politik muss wieder in die Spur kommen. Dazu benötigt man auch den Wegfall der ideologischen Scheuklappen und Mut zur Technologieoffenheit. 2024 wäre doch das ideale Jahr dafür. Auch wenn die EU das Jahr schlecht gestartet hat. Das noch offene Trilog-Verfahren zur Flottenregulierung endete damit, dass alle vom Europäischen Parlament vorgeschlagenen Punkte für alternative Kraftstoffe aus der Einigung gestrichen wurden. Lediglich die Review Klausel für 2027 bleibt bestehen. So sieht keine zukunftsfähige Strategie aus.
Der unlängst verstorbene Franz Beckenbauer fällt mir dabei ein. Er hat seine Mannschaften und uns mit unsterblichen Zitaten versorgt. Unsere Empfehlung an die Verantwortlichen in Brüssel und Berlin wäre heute „Geht's raus und macht Politik!“ Mal sehen, ob es wirkt. Trotz allem ein schönes Wochenende. Im Rheinland liegt bis in die Niederungen reichlich Schnee. Draußen sein lohnt sich.
Ihr
Stephan Zieger