Ziegers Zeilen (KW 25)
Von Forschungs-, Demonstrations- und Pilotanlagen - Der Auftrag heißt Defossilisierung des Verkehrs
Es gibt viele Neuigkeiten zu synthetischen Kraftstoffen. Wenn auch nicht an prominenter Stelle konnte man dies Woche vieles dazu lesen. In NRW gibt es seit dieser Woche eine weitere E-Fuels-Produktionsstätte. Betreiber dieser Anlage ist Synhellion. Sie ist diese Woche eingeweiht worden. Als Demonstrationsanlage. Eine Demonstrationsanlage ist eine Einrichtung, die dazu dient, neue Technologien, Prozesse oder Produkte zu präsentieren und zu testen. Sie ermöglicht es, innovative Ansätze in der Praxis zu erproben und potenziellen Investoren, Kunden oder Interessierten zu demonstrieren.
Was macht nun Synhellion in Jülich mit seiner Demonstrationsanlage. Das Unternehmen aus der Schweiz nutzt die Wärme der Sonne direkt für die Reaktion. Spiegel werden rund um einen Turm aufgebaut. Der Turm, in dem Projekt „Empfänger“ genannt, empfängt das von Spiegeln gebündelte Sonnenlicht.
Dabei entsteht Hitze von rund 1500 Grad Celsius. Diese wird gespeichert und als Reaktionswärme in einem Reaktor verwendet. Der Reaktor erzeugt ein Synthesegas. Das dafür nötige CO₂ wird aus biogenem Methan (zum Beispiel aus der Viehzucht), aus Bioabfällen, als Produktionsrückstand aus der Industrie oder durch direktes Einfangen aus der Umgebungsluft gewinnen. So funktioniert ganz grob gesagt, das neue Verfahren. Als Abnehmer ist Lufthansa-Tochter Swiss mit an Bord.
Die Kölnische Rundschau berichtet, dass Synhellion plant, im Jahre 2027 eine erste kommerziellen Produktionsanlage im sonnenreichen Spanien in Betrieb zu nehmen. Hier sollen dann pro Jahr 1000 Tonnen Treibstoff hergestellt werden. Ab 2033 soll ein globaler Rollout der Technik mit einer Produktionskapazität von einer Millionen Tonnen Solartreibstoff pro Jahr erfolgen.
Auch die deutsche DLR, die Deutsche Gesellschaft für Luft und Raumfahrt weiht in dieser Woche in Leuna ein Forschungsvorhaben für erneuerbare Kraftstoffe ein. Der Schwerpunkt wird auf dem Kampagnenbetrieb einer semi-industriellen Anlage zur Produktion strombasierter Kraftstoffe mit einer Kapazität von rund 2.500 Tonnen pro Jahr liegen.
Synhellion und DLR gesellen sich damit zu einer Vielzahl von Unternehmen, die Techniken zur Gewinnung von E-Fuels umsetzen. Über viele hatten wir berichtet. Eine umfangreiche Liste dieser Firmen findet sich bei Motor 1. Veröffentlicht wurde diese im Jahre 2023.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis, dass aktuell läuft ist die der Pilotanlage von HIF, die im Süden Chiles E-Fuels unter anderem für Porsche produziert. In einem Podcast der FAZ von dieser Woche wird Thorsten Herdan, Europa-Geschäftsführer von HIF von Johannes Winterhagen, Redakteur in der Redaktion Wirtschaft, Ressort Technik und Motor der FAZ befragt.
Herdan berichtet, dass die Anlage überwiegend aus in Deutschland entwickelten Komponenten besteht. Die Aufzählung der Beteiligten ist beeindruckend. Die Anlage läuft und soll demnächst in einer größeren Dimension gebaut ist. Fehler und Probleme sind erkannt und beseitigt. Der Geschäftsführer erklärt, warum man zunächst mit einer Pilotanlage startet. Pilotanlage deswegen, weil man bei Erstellung und Betrieb lernen will. Eine Pilotanlage funktioniert wie eine richtige Anlage. Sie kann hochskaliert werden. Aber vorher lernt man. Aus Fehlern und aus Problemen. Danach geht’s los.
Spannend ist, dass die Anlage im Moment eher unter CO²-Mangel leidet. Aktuell kommt CO² aus einer Brauerei, soll demnächst aber mittels eines in Deutschland entwickelten und gebauten Elektrolyseur betrieben werden. Im 2. Halbjahr wird die Anlage für die CO²-Aufnahme aus der Luft in Chile mit einheimischen Kräften zusammengebaut. Die Komponenten wurden in Deutschland entwickelt und gebaut.
Ein zentrales Thema ist die Frage nach der Effizienz. Warum sie immer wieder diskutiert wird und warum sie aber eben keine Rolle spielt erläutert er sehr detailliert. Ein Zitat aus dem Podcast: Das riesige Potential an Strom ist vor Ort nicht nutzbar. Es kann nur für Kohlenwasserstoffe genutzt werden.
Die Entwickler wollen die Anlage demnächst deutlich vergrößern. Außerdem sollen es weitere Anlagen in vielen anderen Weltregionen geben. Auch hier ist die Aufzählung beeindruckend.
Befragt was das Produkt demnächst kosten soll kommt der Experte in Minute 20 des Podcasts auf einen Preis von etwa 1,50 Euro pro Liter. Das ist eine gute Botschaft. Warum es zu diesem Preis kommt, auch dies wird gut und deutlich erklärt. Stromkosten, Herstellungskosten und Kapitalkosten werden ungeschminkt beschrieben.
Für Interessenten lohnt es, sich das anhören. Für alle anderen gilt die Botschaft. Das ganze funktioniert. Es hat Hand und Fuß und ist eben keine Chimäre.
Die Wirtschaft nimmt das Thema E-Fuels in die Hand. Die Politik fördert. Das reicht aber noch nicht. Es wird Zeit, dass endlich die Rahmenbedingungen geschaffen werden. In keinem der vielen Projekte werden andere Lösungen verteufelt. Das gilt auch für die Elektromobilität. Die Lösungen müssen vielmehr nebeneinander bestehen.
Zum Schluss noch einmal ein Zitat aus dem Artikel in der FAZ: (...) erneuerbare Energieträger deckten im vergangenen Jahr nur etwa 20 Prozent des gesamten Energiebedarfs in Deutschland. 36 Prozent hingegen entfielen auf importiertes Mineralöl, das vor allem im Verkehr genutzt wird. Einen Ersatz für diese Energiemenge hierzulande klima- und umweltfreundlich zu erzeugen, ist eine Mammutaufgabe.
Das wäre der Projektauftrag. Forschungs-, Demonstrations- und Pilotanlagen gibt es schon. Wenn man denn will, könnte man die Weichen umlegen. In Brüssel gibt es Hoffnung auf einen Wechsel. Das Wahlergebnis der Europawahl ist Hoffnung und Auftrag zugleich..