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Ziegers Zeilen (KW 22)

Warum haben es E-Fuels so schwer in der Politik? Wieso setzt man nur auf Elektromobilität? Diese Frage beleuchtet ein Beitrag in der Online-Ausgabe des Magazins elektro-auto-news. Der Beitrag steht unter dem Titel „Analyse: Warum Deutschland die E-Mobilität fördert“. Die Autorin, Veronika Ellen Wittig, studierte Politologin und derzeit Mitarbeiterin eines Landtagsabgeordneten aus Rheinland-Pfalz, geht von der These aus, dass es drei gleichwertige Optionen für eine klimaneutrale Zukunft gibt. Zitat aus dem Artikel: „Zu den relevanten Zukunftstechnologien und alternativen Antriebsarten zählen das E-Auto mit batterieelektrischem Antrieb, der Wasserstoff- und Brennstoffzellenantrieb und die synthetischen Kraftstoffe.“

Am Anfang der Entwicklung, die die Autorin schon zu Beginn der 90er Jahre sieht, war Elektromobilität nicht die dominierende Kraft. Wasserstoff war schon damals dominierend. BMW und andere hatten zahlreiche geeignete Wasserstoffverbrenner auf dem Markt. In Berlin fuhren viele Politiker mit dem damals entwickelten 7er von BMW bei politischen Veranstaltungen vor. Total eröffnete am Holzmarkt eine der ersten Wasserstofftankstellen der Hauptstadt.

Zurück zum Beitrag. 2007 gab es die erste gezielte Stromerförderung im Rahmen der Finanzkrise. Damals hieß das ganze „Integriertes Energie- und Klimaprogramm (IEKP)“. Man wollte die Konjunktur, die im Rahmen der Finanzkrise zu erlahmen drohte, voranbringen. Klimaschutz war nicht der Antrieb. Die Autorin spricht an dieser Stelle davon, dass die E-Mobilität durch ein unvorhersehbares Ereignis auf die Agenda (gelangte) und (…) primär kurzfristige Konsumanreize setzen (sollte). Antreiber waren Wolfgang Tiefensee, der SPD-Verkehrsminister, und BMW. Gemeinsame Schnittstelle war Leipzig, wo Tiefensee vorher Oberbürgermeister war und BMW den i3 produzieren sollte.

In dieser Zeit galt Wasserstoff als Zukunftstechnologie und nur das Umweltministerium setzte auf Elektromobilität. Die Verbände VDA, ZVEI und der BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V. standen hinter der Forderung des Umweltministeriums, wobei das Ministerium eher auf umweltpolitische Schwerpunkte setzte als auf klimapolitische Effekte. Wasserstoff galt im Verkehrsministerium weiterhin zukunftsweisend. Der 2009 ins Leben gerufene „Nationale Entwicklungsplans Elektromobilität (NEP)“ wird von der Autorin ebenfalls eher als industriepolitische Maßnahme eingestuft. Dies belegt sie auch. Zitat: „Der verwendete Begriff „Leitanbieterschaft/Leitmarkt“ zeigt die Verschiebung von klima- und verkehrspolitischen Zielen hin zu verstärkt industriepolitischen Zielsetzungen.“

Keine Änderung in der Zielsetzung sieht die Autorin auch in den ab 2010 getroffenen Maßnahmen. Zitat: „Auch die Einrichtung der „Nationalen Plattform Elektromobilität“ (NPE) 2010 und ihre Besetzung mit Vertretern der führenden deutschen Automobilkonzerne stärkte industriepolitische Interessen, während klimapolitische Aspekte kaum Berücksichtigung fanden.“ Dass es nicht bereits 2011 zu den ersten Kaufprämien kam, ordnet die Autorin der Regierungsbeteiligung der FDP zu, die schon damals Technologieoffenheit forderte und dem Widerstand von CSU-Verkehrsminister Peter Ramsauer gegen solche Prämien. Später widersetzte sich dann Finanzminister Wolfgang Schäuble den Kaufprämien.

Erste Kaufprämien gab es erst 2015. Auch hier waren klimapolitische Gesichtspunkte nicht ausschlaggebend. Ausschlaggebend war der Dieselskandal, der eine Verschiebung der Schwerpunkte notwendig machte, und umweltpolitische Aspekte, wie die Luftreinhaltung in besonders belasteten Regionen der Großstädte. Ein wichtiges Zitat der Autorin: „Die Automobilindustrie musste ihr angeschlagenes Image nach dem Diesel-Skandal aufbessern und stand zudem durch die neuen EU-Grenzwerte zusätzlich unter Druck, während die Bundesregierung drohte, am 1-Mio.-Ziel zu scheitern. Somit waren bei Einführung der Kaufprämie nicht klimapolitische, sondern industriepolitische Überlegungen ausschlaggebend.“

Der Schlingerkurs (d. Verf.) setzt sich in den Folgejahren fort. Die Rückkehr zur großen Koalition 2013 begünstigt das. Allerdings waren damals nur Umweltministerium und Verkehrsministerium für eine Kaufprämie, während das Wirtschaftsministerium nachdrücklich auf einer Integration von Mineralöl- und Kraftstoffsektor in den ETS-Handel (europäischer Emissionsrechtehandel) drang.

Wir erinnern uns, dass dies nicht erfolgreich war. Unterstützt wurden die erfolgreichen Akteure vor allem von den Bundesländern mit einer maßgeblichen Automobilwirtschaft. Bis 2020 spielte das Thema Klimapolitik bei der Behandlung der Elektromobilität keine wesentliche Rolle. „Mit der Kaufsubvention sollten nicht primär hohe CO2-Emissionen reduziert werden, sondern den deutschen Automobilherstellern aus der Krise geholfen werden.“

Erst 2020 änderte sich die Tagesordnung. Seitdem wird das Thema Elektromobilität mit dem Thema Klima verknüpft. In dieser Zeit ändern sich die Rollen der Beteiligten auch. Vor allem der VDA rückt von der reinen Stromerförderung ab, kann sich hier aber nicht mehr durchsetzen. SPD-Bundesumweltministerin Svenja Schulze hatte sich zu diesem Zeitpunkt dafür ausgesprochen, mögliche Konjunkturhilfen am Klimaschutz auszurichten und Hilfen für die Autobranche an ökologische Auflagen zu knüpfen.

Der Schlingerkurs, den die Autorin aufzeigt, macht deutlich, dass das Thema Elektromobilität nie wirklich ein Klimathema war. Das war es in den anderen Ländern auch nicht. In Deutschland hatte man Angst, den chinesischen Markt zu verlieren. Eine klimapolitische Konzeption hatte von Anfang an keiner der Beteiligten. Jedenfalls keiner der führenden Beteiligten.

Der wertvolle und wirklich lesenswerte Beitrag der Autorin zeigt auf, wo die Schwächen der aktuellen Politik liegen. Der Impetus kommt aus Fehlverhalten (Diesel-Skandal) und der Angst davor, von Entwicklungen aus China überrollt zu werden und die Technologieführerschaft zu verlieren. Das ist alles andere als Klimapolitik aus Überzeugung. Das ist auch alles andere als ein klares Konzept.

Dass das klare Konzept für Klimaschutz von Anfang an nicht vorhanden war, das zeigt ja auch die Tatsache auf, dass der wirklich entscheidende Punkt noch nicht gelöst ist. Es fehlt an ausreichend grünem Strom für den Betrieb der Stromer. Und es fehlt an einem wirklich durchdachten Plan für eine Ladeinfrastruktur. Deshalb, und damit kommen wir zum Ende dieses Beitrags, ist das Beharren auf Technologieoffenheit im Interesse einer wirksamen Bekämpfung des Klimawandels richtig und wichtig. Denn es kann sein, dass die technologischen Entwicklungen noch immer nicht zu Ende sind.

Ihr

Stephan Zieger

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