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Ziegers Zeilen (KW 21)

Von Zahlen und Wunschträumen, vielen Fakten und schlechter Interpretation

Es gibt wie wieder eine neue Studie. Über E-Fuels. Mit viel Klartext. Und es wird über sie gestritten. Die „Scientists for future“ haben sich mit den E-Fuels befasst. Und wer nur in Überschriften liest, nimmt die Studie der Scientist recht schnell in seinen Kronzeugenkatalog auf. „E-Fuels sind dreimal so teuer wie Elektromobilität.“ ist die These. Die Studie kann beim Online -Dienst „E-Fahrer“ heruntergeladen werden. E-Fahrer führt in die Studie mit großen Worten ein: „Mitglieder des Wissenschaftler-Netzwerks Scientists for Future (S4F) haben dem breiten Einsatz von E-Fuels eine klare Absage erteilt. In einer aktuellen Untersuchung errechnet S4F, dass das Befüllen synthetischer Kraftstoffe in der gesamten Fahrzeugflotte rund dreimal so teuer wäre wie der Umstieg auf E-Mobilität.“ Es ist nicht nur eine Absage. Es ist eine klare Absage. Wer erklärt uns hier den Unterschied. Außer in der Rhetorik. Aber bleiben wir beim Diskussionspapier.

Niedersachsen und die E-Fuels. Das ist der Titel des Diskussionspapiers der Scientists. Der Titel ist gut gewählt. Damit erzeugt man Basisnähe und den Anschein von Realität. Weil es überschaubar ist. Und weil sie es genau nehmen, veröffentlichen sie ihre Annahmen direkt vorne im Beitrag. Das ist ihre Stärke, aber eben auch ihre Schwäche. Stärke, weil sie ihre Annahmen vorbehaltlos veröffentlichen. Schwäche, weil man sich mit ihnen auseinandersetzen kann. Und muss. Und weil das schon jemand getan hat, können wir unmittelbar nach der Veröffentlichung über diese Zahlen reden. Frank Wunderlich-Pfeiffer hat das getan. Bei Golem.de, auch einem Online-Dienst rund um Frage der Digitalisierung. Er hat es nicht getan, weil er ein Fan von E-Fuels ist. Das ist schade, aber in Ordnung. Er hat das getan, weil er Realismus anmahnt. Und Fairness im Umgang miteinander. Das ist ein guter Ansatz.

Eine realistische Zukunft für Wasserstoff und E-Fuels betitelt er seinen Beitrag. Seine These: „Kritik an Wasserstoff ist sehr oft gerechtfertigt, aber eine Studie der Scientists for Future geht zu weit und schadet damit der Energiewende.“ Und E-Fuels gehören in den Bereich Wasserstoff.

Der zentrale Kritikpunkt für Wunderlich: die „unversöhnliche Gegnerschaft zwischen beiden Lagern“. Was aus seiner Sicht dazu führt, dass die Annahmen so hoch sind, damit E-Fuels am Ende nicht zu billig sind. Zitat: „Aber um Wasserstoff und E-Fuels schlecht aussehen zu lassen, müssen ausgerechnet die Scientists for Future übertrieben pessimistische Annahmen zu den Kosten der erneuerbaren Energien machen, damit die E-Fuels am Ende der Studie keinesfalls zu billig sind.“

These 1: Photovoltaik wird teurer dargestellt als sie ist. Da liegt Wunderlich richtig. Das kann man in vielen Beiträgen nachlesen. Aber Wunderlich geht noch systematischer vor. Die Studie nimmt an, dass Photovoltaik Gesamtkosten von 700 Euro/kW (peak) verursache. Aber das sind Preise von 2022, nicht von 2035. Für das Jahr 2035, und eigentlich auch schon für 2024, sind diese Kosten weit übertrieben. Wunderlich zeigt auf, wie diese Kosten durch Einsparung von Rohstoffen noch weiter sinken können. 50 Prozent weniger Silizium. 50 Prozent weniger Silbereinsatz. Automatisierung bei der Herstellung. Schon jetzt sind Energiekosten von 2 ct/ kWh möglich. Eine Bemerkung vom Ende von Wunderlichs Beitrag zitieren wir schon hier. Mit der übertrieben teuren Annahmen für Solartechnik machen die Scientists unnötig Angst vor Solarenergie. Auch da ist was dran.

These 2: Transport ist günstiger als behauptet. Scientists for future halten den Transport aus sonnenreichen Regionen – vorsichtig formuliert – für ein Risiko. Er müsste ja aus politisch instabilen Ländern erfolgen. Das aber kann man vermeiden. Die Produktion in Deutschland halten sie für unrealistisch. Beides widerlegt Wunderlich mit präzisen Angaben. Vor allem, und da macht er einen Punkt, zitiert er aus einer Studie, die die Scientists auch als Quelle heranziehen. Eine Studie des Fraunhofer Instituts. Dort steht das genaue Gegenteil. Kritik von Wunderlich an den Scientists: „Aber selbst aus dem politisch stabilen und sonnenreichen Australien würde der Transport von E-Fuels wie Methanol oder Ammoniak nur 3,3 Prozent der Gesamtkosten ausmachen, wie eine Studie des Fraunhofer Instituts zeigt, die von den Scientists for Future als Quelle angegeben wird. Große Tankschiffe sind ein äußerst effizientes Transportmittel. Hier haben die Wissenschaftler offenbar ihre eigene Quelle nicht gelesen.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

These 3: Der Strom für Wasserstoff kann unter 1 Euro/kg kosten. Bei allen Diskussionen geht es um das Jahr 2035 und nicht das aktuelle Jahr. Auch hier argumentiert Wunderlich präzise und gut: „Die Wasserstofferzeugung benötigt, je nach Technik, rund 40 kWh pro kg, weniger ist möglich, meistens ist es etwas mehr. Dennoch kann der reine Stromanteil der Wasserstoffkosten durchaus unter 1 Euro/kg liegen, gerade wenn der Strom mit Photovoltaik in der Wüste für 2ct/kWh erzeugt wird. Der Rest hängt von den Bau- und Betriebskosten der restlichen Anlagen ab, die für das Jahr 2035 noch nicht vollkommen absehbar sind.“ Auch dem ist nichts hinzuzufügen.

Auch das Schlusswort wollen wir, weil er sich so wunderbar präzise mit dem Thema beschäftigt, Herrn Wunderlich überlassen. Er erwartet in der Diskussion mehr Fairness. Ein Mehr an „Aufeinanderzugehen“. Wer sauber argumentiert, hat keine Angst vor Gegenargumenten. Und nun, aus dem wirklich lesenswerten Beitrag das Schlusswort für unsere Zeilen: „Wer wirklich überzeugen will, muss mit den eigenen Argumenten die Gegenseite so gut wie möglich unterstützen. Das heißt, nach den besten Argumenten gegen den eigenen Standpunkt suchen und diese klar darlegen. Wenn der eigene Standpunkt solide ist, sind die Argument der Gegenseite keine Bedrohung.“

 

Ihr Stephan Zieger

 

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