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Ziegers Zeilen (KW 19)

Von Zahlen und Wunschträumen, vielen Fakten und schlechter Interpretation

Heute mal nur eine kurze Intervention. Mitte der Woche titelt der Focus in seiner Online-Ausgabe „Benzin-Nachfrage unter Druck - Elektroautos erobern den globalen Markt“. Nachdem wir in den beiden vergangenen Wochen auf eine kritische Stimmung in diesem Bereich gestoßen waren, hat uns das doch elektrisiert. Und tatsächlich. Es wird eng für die Benzin-Nachfrage. Suggeriert der Beitrag.

Der Focus zitiert Reuters. Reuters ist eine gut beleumundete internationale Nachrichtenagentur. Dort steht tatsächlich, dass das globale Wachstum sich verringert. Um die Hälfte. Wohlgemerkt, das globale Wachstum. Nicht die globale Nachfrage.  Eigentlich ist das keine Meldung. Denn es bedeutet tatsächlich nur, dass sich das Wachstum verlangsamt hat. Um die Hälfte. Klingt wie vorher auch. Und wenn man sich die Wachstumsraten in den verschiedenen Ländern anschaut, dann weiß man, warum das auch sein könnte. Nicht überall wächst die Wirtschaft gleich. Mal schrumpft sie und mal wächst sie nur leicht. Auch das wäre eine Ursache. Der letzte Satz ist zu viel eigene Interpretation. Das lassen wir mal. Wir schauen uns die Interpretation im Bericht an. Es bleibt im Bericht dabei. Die globale Benzinnachfrage wächst nur halb so stark.

Ein Satz aus dem Beitrag: Da sinkende Preise die Nachfrage ankurbeln, könnte der Anteil der in diesem Jahr verkauften Elektroautos in China 45 %, in Europa etwa 25 % und in den Vereinigten Staaten mehr als 11 % erreichen, schätzt die IEA. Welche Preise sinken denn? Die von E-Autos? Später im Bericht wird man mindestens von sinkenden Margen und womöglich auch sinkenden Kraftstoffpreisen reden.

Auch ein Satz aus dem Beitrag von Reuters: „Im Vergleich dazu treiben boomende Autoverkäufe zusammen mit dem hohen Wirtschaftswachstum und der geringen Verbreitung von Elektrofahrzeugen die Benzinnachfrage in Indien und Indonesien an.“ Dort wachsen gerade die Verbrennerzahlen, wenn man den Beitrag richtig versteht. Und damit die globale Benzinnachfrage.

Und noch einmal: Indiens Benzinverbrauch wird im Jahr bis März 2025 einen neuen Rekord von 39,2 Millionen Tonnen (908.000 bpd) erreichen (…). In Europa wird die Benzinnachfrage im Jahr 2024 um 50.000 bpd oder 2,3 % auf 2,19 Millionen bpd steigen. Einen Satz später lesen wir: Die stagnierende europäische Benzinnachfrage (…). Und auch: In Nigeria wollen mindestens 280.000 bpd Benzin nachgefragt werden. Das drückt auf die Margen, nicht auf die Mengen.

Fazit nach intensiver Lektüre. Man weiß es nicht so genau. Der Beitrag liefert viele Fakten. Die stimmen auch. Aber er ist schlecht interpretiert. Und ein bisschen Wunschdenken ist auch drin. Aber die Fakten passen nicht zu den Interpretationen und umgekehrt.

Noch eine Überlegung zum Schluss. Wenn jetzt mehr E-Fuels verkauft würden. Oder besser formuliert, synthetisches Benzin aus der Raffination von synthetischem Rohöl. Oder es würde ein höheres Bioblend beim Benzin verkauft, wie müsste man dann die Meldung schreiben. Denken Sie sich was aus. Und formulieren Sie es technologieoffen. Denn auch E-Fuels können dazu beitragen, fossiles Benzin zu verringern. Und mit den Wachstumsraten der E-Autos beschäftigen wir uns in der nächsten Woche. Wir wollen es jedenfalls versuchen. Weil das ist eine andere Geschichte.

 

Ihr Stephan Zieger

 

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