Ziegers Zeilen (KW 18)
E-Fuels sind angekommen. In der Mitte der Gesellschaft. Und an ihnen kann man sich schön produzieren, ohne großartig nachdenken zu müssen. Da ist beispielsweise Markus Lanz. Egal, was diskutiert wird in seiner Talkshow: Fällt das Wort E-Fuels, geht Markus Lanz steil. Beispiele gibt es genug. Augenzwinkernd kommt er dann über den Bildschirm und macht den Zuschauer zum Komplizen für seine These, dass E-Fuels kompletter Unsinn sind oder der Befriedigung von Wählerschichten dienen. Aber von Markus Lanz soll heute nicht die Rede sein.
Denn: Die E-Fuels sind bei den Kabarettisten oder bei den Comedians angekommen. In der Heute-Show vom 28. April kommen die E-Fuels als scheinbare Randnotiz zur Geltung. Der FDP-Bundesparteitag war das Thema. Klimaschutz, so Moderator Oliver Welke, heiße bei der FDP Technikoffenheit. Damit war der Weg zu den E-Fuels offen. Welke übernahm den Lanz-Habitus. Ein bisschen überspitzt. Die FDP ist offen für E-Fuels, Kernfusion, das Beamen. Und dann ließ er den Lanz raus (ca. Minute 25): "In Wirklichkeit wissen die (die FDP, Anm. des Verf.) ganz genau, dass E-Fuels in Zukunft viel zu teuer und viel zu ineffizient bleiben. Es geht ausschließlich darum, das Verbrennerverbot zu verhindern oder doch zu verzögern."
Das gleiche Muster, nur etwas feiner, kam dann am vergangenen Dienstag bei der "Anstalt" zum Zug. Perfide in beiden Sendungen. Ein bisschen Nähe zu Klimaleugnern. Scheinbar nicht bewusst gelegt. Dennoch, für den unbefangenen Zuschauer ein leichter Weg. Damit diskreditiert man eine Technologie ohne wissenschaftliche Argumente. Da war Professor Lesch besser. In seiner Kritik an den E-Fuels erkennt er in Minute 14 an – bitte nicht rausschneiden (!) – dass eine Umstellung auf E-Fuels eine grandiose Umstellung auf erneuerbare Energien sind. Ja, das haben wir damals geschrieben. So sollte das sein. Und so wird es ja auch immer dargestellt.
Zurück zur Anstalt. Ein Isaac Newton macht sich mit scheinbaren wissenschaftlichen Argumenten ans Werk. Eine "Frau Wissenschaftlerin" erklärt etwa ab Minute 6 das Prinzip der Anlage sehr schlüssig und sagt dann, dass es schade ist, dass dieses Prinzip bisher nur im Labor funktioniert. Klingt gut, ist aber falsch. Es gibt – noch nicht genügend, aber dennoch vorhanden – Anlagen, die E-Fuels produzieren können. Insbesondere die Anlage in Patagonien ist kein Fake, sondern vorhanden. Garniert wird der Auftritt von einem chargierenden Verkehrsminister, der eigentlich gar nichts kann und dafür zuständig ist, das Thema ins Lächerliche zu ziehen. Er sammelt die Lacher ein. Den Weg in die Politik findet der schneidig argumentierende Isaac Newton bei Minute 9.55 als er feststellt, dass E-Fuels weder klimaneutral sind noch dass es sie in ausreichender Menge geben wird. Ton und Duktus erlauben keinen Widerspruch. Und wenn, dann über den die Politik symbolisierenden Politiker, der sich mit seinen Erkenntnissen eher blamiert als dass er glänzt. Die Lacher hat die kritische Wissenschaft auf ihrer Seite. Deswegen Isaac Newton. Der Dumme ist eben der Politiker. Dahinter verschwindet die Auseinandersetzung mit dem Thema.
Das Ganze geht noch eine Weile so. Auch andere Teilnehmer bekommen ihr Fett weg. Verbände, Firmen, Konzerne, geschenkt. Man darf das. Es ist die Freiheit der Meinung oder der Kunst. Zu beklagen, dass es unfair wäre, auch das geschenkt.
Was es braucht, sind klare Bekenntnisse draußen und nicht beifallsheischendes Schauen nach links oder rechts (nicht politisch gemeint). E-Fuels kehren den Verbrennungsvorgang um. Geerntet werden sollen sie mit erneuerbaren Energien, die den Bedarf anderer und wichtiger Branchen nicht beeinträchtigen. Dafür sollte man die Branche beim Wort nehmen. Und nicht einfach sagen es geht nicht oder es geht nicht schnell genug. Erneuerbare Energien in Deutschland werden nicht in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Dann lasst sie uns doch für den Verkehrssektor anderswo ernten. Es geht doch.
Und viel Spaß bei der heutigen "Heute-Show". Aber Nachdenken ist trotzdem erlaubt. Vor allem dann, wenn die wissenschaftlichen Erkenntnisse eigentlich nur (lustige) Vorurteile sind.
Schönes Wochenende
Stephan Zieger