Ziegers Zeilen (KW 14)
Einen kurzen Gedanken möchte ich Ihnen zu Ostern mitgeben: Warum machen sich so viele kluge Köpfe gerade Gedanken darüber, warum etwas nicht geht. Worum es geht, haben wir schon in der vergangenen Woche diskutiert. Es geht um E-Fuels. Das Thema elektrisiert. Muss es ja auch. Denn schließlich sind E-Fuels grüner Strom, der in einer Flüssigkeit gespeichert wird, weil es sonst nur unzureichende Möglichkeiten gibt, Strom, also Elektrizität, zu speichern.
Die Forscher vom Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI) haben herausgefunden, dass der Einsatz von E-Fuels heute wirtschaftlich und ökologisch nicht zielführend ist. Außerdem gebe es viele Gründe, die kurz- und mittelfristig dagegen sprechen. Die FAZ berichtet in ihrer Online-Ausgabe vom 04.04.2023 darüber. Die Gründe sind die, die immer aufgefahren werden: Effizienz, zu hohe Kosten, schlechte Umweltbilanz, also nichts wirklich Neues.
Ein bisschen soziale Sorge schwingt mit. „E-Fuels seien zudem teuer und könnten von einkommensschwächeren Haushalten in Zukunft kaum bezahlt werden. Die Autoren zitieren Studien, die auch nach Erreichung von bedeutenden Kostensenkungspotenzialen noch von einem Preis zwischen 1,20 Euro und 3,60 Euro pro Liter für E-Fuels im Jahr 2050 ausgehen – zuzüglich Steuern, Abgaben, Gewinnmargen, Vertriebsausgaben sowie Forschungs- und Entwicklungskosten. Der Literpreis für fossile Kraftstoffe ohne Steuern und Abgaben liegt aktuell bei 60 bis 70 Cent pro Liter.“ Jetzt fehlt an dieser Stelle die Klammer zu den Stromern. Was machen einkommensschwache Haushalte beim Erwerb und beim Betrieb von Elektrofahrzeugen? Vielleicht finden Sie selber die Antwort.
Bleiben wir bei der Auseinandersetzung mit den Sachargumenten. Das erste ist die Verfügbarkeit. Die Karlsruher Forscher sehen keinen Ansatz, den gesamten Bedarf an E-Fuels herzustellen. Zur Produktion des erneuerbaren Stroms müssten ca. 5.250 GW an Leistung installiert werden. Die gesamte heutige, weltweit installierte erneuerbare Stromproduktion beträgt 3.100 GW. Man müsste also die erneuerbare Stromproduktion fast verdoppeln, alleine nur um den Strombedarf für grünen Wasserstoff und Syntheseprodukte einschließlich E-Fuels zu decken. Hinzu kommt, dass auch für andere Anwendungsfälle erneuerbare Energien zur Erreichung der Klimaziele deutlich ausgebaut werden müssen, denn der Anteil an Erneuerbaren an der Stromerzeugung weltweit beträgt heute nur 28,1 Prozent. So steht es auf Seite 5 des „Diskussionsbeitrags: Eine kritische Diskussion der beschlossenen Maßnahmen zur E-Fuel-Förderung im Modernisierungspaket für Klimaschutz und Planungsbeschleunigung der Bundesregierung vom 28.3.2023“.
Auf Seite 6 geht man auf die Herstellungskosten ein. Die sind zu hoch und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie sinken könnten. Verglichen wird mit dem aktuellen Preis für fossile Kraftstoffe. Beides klingt schön. Es sind aber beides Argumente, die nicht tragen. Erstens werden sowohl die Herstellungskosten als auch die Herstellungsverfahren effizienter werden. Ausgegangen wird vom aktuellen Stand der Technik. Die Argumente der Fraunhofer-Forscher gehen daher vom Status Quo aus, nicht von zukünftigen Entwicklungen. Außerdem gehen sie von einer Systemabdeckung von 100 Prozent aus. Den zukünftigen Antriebsmix berücksichtigen sie nicht.
Generell berücksichtigen sie nicht wirklich zukünftige Entwicklungen. Jedenfalls nicht solche, die ihnen widersprechen. Bemerkenswert daher der Satz auf Seite 8: „Sollten sich die heutigen wissenschaftlichen Prognosen für E-Fuels wider Erwarten als zu pessimistisch erweisen, so könnte ihr Einsatz für den Straßenverkehr noch später stärker erwogen werden.“ Dann aber könnte es zu spät sein.
Wenig wissenschaftlich ist das Argument, dass E-Fuels einen negativen Einfluss auf die Verkehrswende haben. Erklärt wird das damit, dass die aktuelle Diskussion (über E-Fuels, Anm. des Verfassers) aber dazu führen (kann), dass sich Initiativen in Richtung Elektromobilität oder anderer alternativer Mobilitätsformen verlangsamen. So zeigen Studien, dass sich Personen mit geringerem Interesse an Elektrofahrzeugen oder Carsharing stark an sozialen Normen orientieren, das heißt an dem, was andere Bürgerinnen und Bürger tun. Je mehr beobachtbar diese Mobilitätsalternativen werden, desto eher werden sie diese nutzen wollen und für sich in Betracht ziehen. Der Hochlauf der Elektromobilität und anderer Mobilitätsalternativen geht also dann schneller, wenn eine kritische Masse so schnell wie möglich erreicht ist und andere vom Verhalten anderer angesteckt werden.“ Dieses Argument ist böse. Ich würde mich nicht trauen, ein solches Argument ins Feld zu führen. Weder pro E-Fuels noch umgekehrt pro E-Mobilität. So dumm sind die Leute nämlich nicht.
Es würde Spaß machen, sich mit noch weiteren Argumenten aus dem Papier auseinanderzusetzen. Das Papier der Forscher ist offen. Im Gegensatz zu anderen Diskussionsteilnehmern erklären sie ihre Argumente und sie belegen alle Behauptungen auch mit Quellen. Es klingt aber insgesamt ein wenig nach der Geschichte mit der Hummel. Die könnte nämlich nicht fliegen. So wie E-Fuels eben doch nicht taugen (sollen). Sie weiß es nur nicht. Und deswegen fliegt sie einfach trotzdem. Auch wenn diese Geschichte ein Mythos und längst widerlegt ist, wird sie immer weiter erzählt. Was es mit dem Hummel-Paradoxon auf sich hat, können Sie klug erklärt bei Wikipedia nachlesen und hätten auch etwas gelernt für das Osterwochenende.
Zurück zu den E-Fuels. Sie können weder fahren, noch fliegen noch schwimmen. Sie könnten aber eine Alternative sein. Um fahren, fliegen oder schwimmen zu können. Wie die Hummeln im Hummel-Paradoxon. Und es ist gut, dass man daran weiter forscht. Und hart arbeitet, sie in Verkehr zu bringen. So wie die Hummeln, die einfach fliegen …
Schönes Osterwochenende!
Stephan Zieger