Ziegers Zeilen (KW 13)
Von der Ladesäulenobsession der Politik und anderer Beteiligter. Ein spannender Beitrag über die Ausrichtung der Elektromobilität
Kerstin Andreae ist unzufrieden mit der Elektromobilität. Die Beteiligten haben nach ihrer Ansicht den falschen Blick auf die Elektromobilität. Ladesäulenobsession nennt sie diese Haltung. Die ganze Kritik geht nach ihrer Ansicht in die falsche Richtung. Das scheibt sie in einem Beitrag des Online-Magazins „Energate-Messenger“. Leider nicht öffentlich zugänglich. Aber ihre Thesen sind nachzulesen beim Online-Dienst „Vision Mobility“.
Kerstin Andreae ist die Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW). Sie ist in dieser Funktion auch Präsidiumsmitglied. Und Kerstin Andreae muss es wissen, denn hinter dem BDEW. Der BDEW vertritt die Interessen der Energie- und Wasserwirtschaft. Über 2.000 Unternehmen aller Größen aus den Bereichen Strom, Wärme, Gas, Erneuerbare Energien, Wasserstoff, Elektromobilität und Energienetze sowie Wasser und Abwasser sind dort Mitglied.
Kerstin Andreae geht mit der Elektromobilität in der aktuellen Form hart ins Gericht. Eine der Thesen ist, dass es in zu wenig Kommunen Ladepunkte gibt. Kerstin Andreae dazu: Die meisten Einwohner – 94 % laut Kerstin Andreae - leben in Kommunen mit Ladepunkten. Eine Vielzahl von Kommunen hat weniger als 500 Einwohner. Betrachte man, wie viele Einwohner in Kommunen mit einem öffentlichen Ladepunkt leben, kommt man auf 94 Prozent. Dabei lebten auch nur 85 Prozent der Bevölkerung in einer Kommune mit Tankstelle. Rumms. So einfach geht Kritik.
Und sie kann es noch besser. Der Fokus der Politik auf Ladesäulen sei auch deshalb falsch, weil in den letzten beiden Legislaturen jeweils einen Masterplan Ladeinfrastruktur aufgelegt wurde. Da brauche es keinen dritten und der erfolgreiche, privatwirtschaftliche Ladeausbau spreche dagegen. Starker Tobak.
Das Thema Preise hat die Chefin im Blick. Im Hinblick auf die häufig geäußerte Kritik, dass öffentliches Laden zu teuer sei, kontert die Verbandschefin, dass bei genauerem Hinsehen sechs von sieben Lade-Cases günstiger als Tanken seien. Dazu zählt sie die Optionen: mit eigenem PV-Strom, zu Hause, beim Arbeitgeber, Normalladen beim Vertragspartner, Schnellladen beim Vertragspartner und Normalladen beim Roaming-Partner. "Mit dem Einwand, nicht jeder könne zu Hause laden, richtet sich die Kritik am siebten Lade-Case aus, am Schnellladen beim Roaming-Partner", meint Andreae. , meint Andreae. Ob sie damit richtig liegt, muss man sehen.
Und das Grundsatzproblem macht sie auch aus. Die Folgen der Fokussierung. Und da greift sie die Automobilwirtschaft an. Das ist aus ihrer Sicht das Thema Fahrzeuge. Zitat Nummer eins: "Für die Fahrzeugseite dagegen gab und gibt es keinen Masterplan. Genau da hakt es aber", kritisiert die Vorsitzende. Zitat Nummer zwei: "Die Fokussierung der Frage des E-Auto-Hochlaufs auf Ladesäulen und -preise verdeckt, dass es keine tragfähigen Vorschläge zum Hochlauf erschwinglicher Modelle gibt. Das ist aber jetzt die wichtigste Aufgabe, auch der Automobilwirtschaft. Elektromobilität leidet an Ladesäulen-Obsession", bezieht die BDEW-Chefin klar Stellung.
Warum uns das betrifft. Ganz einfach. In Berlin wird gerade eine schwarz-grüne Koalition verhandelt. Und einer der Punkte, über die die Politik gerade auch streitet, ist die Frage der Zwangssäule. Mindestens der Koalitionspartner SPD möchte von dem Thema nicht lassen. Schließlich war es das Thema von Olaf Scholz. Aber eigentlich ist der doch nur noch geschäftsführend im Amt. Und hinterher kann man doch klüger werden.
Und weil wir nicht anders können, der Blick auf die synthetischen Kraftstoffe. Es gibt mit HVO den ersten synthetischen Kraftstoff für alle. Es gibt leider noch keinen Impuls bei den eFuels. Dabei wären die einsatzfähig. Aber das könnte man ändern. Die Politik muss nur gewähren lassen. „Ladesäulen“ gibt es genug. Preiswerte Fahrzeuge auch. Machen lassen, dann klappt es auch beim Rest.
Einen schönen Restsonntag noch
Stephan Zieger