Ziegers Zeilen (KW 11)
Mal wieder ein Beitrag über Experten, solchen und solchen. Und auch darüber, dass die EU-Kommission wohl keine Nahtoderfahrung machen möchte.
Als wir vor Wochen reihenweise Interviewanfragen bekamen, ob wir sachkundig Stellung nehmen könnten, wie sich der Benzinpreis wohl entwickeln würde, wussten wir zunächst nicht, was Ursache für diesen Hype war. Wir schauten nach und entdeckten einen Beitrag unter anderem im Focus. Dort stand folgendes zu lesen: Eine Studie der „Agora Verkehrswende“ geht davon aus, dass der Benzinpreis dann (2027) quasi über Nacht um 38 Cent steigen könnte, und zwar pro Liter . Autofahren würde für viele Menschen unbezahlbar. Diese Zahl wurde in vielen Medien wiedergegeben. Viele begannen zu rechnen und viele weitere Experten meldeten sich bestätigend zu Wort. Wir waren es nicht. Denn wir hätten gesagt, dass man die ganzen Marktmechanismen nicht vergessen darf, die täglich und zu Dutzenden die Daumen an den Warenbörsen bewegen.
Schon bei der Kurzfristprognose lagen die meisten daneben. Der Benzinpreis hat jetzt ein Jahrestief erreicht. Viele glauben Benzin wird billig, weil die Amerikaner so viel bohren werden „Drill Baby, drill“ war der Schlachtruf von Donald Trump. Dabei kann der gar nicht für einen preiswerten Benzinpreis sorgen, weil die, die drillen sollen, keinen billigen Ölpreis brauchen können. Experten sagen, ein Ölpreis von 60 bis 65 Dollar pro Fass der Ölsorte WTI (West Texas Intermediate) sei nötig, damit sich für die wichtige US-Schieferölindustrie das Geschäft überhaupt lohnt. Darunter wird zwar auch noch fleißig weiter gefördert, aber nicht mehr gesucht. Bei 50 $ sei auch mit dem Fördern Schluss.
Die „Finanzmarktwelt“ ein Onlinedienst für diejenigen, die an der Börse aktiv sind, analysierte am 18. Januar, dass die Preise steigen würden, wegen der vielen Schiffe, die unentladen im Stau vor den chinesischen Häfen stünden. Durch die verstopften Häfen und die gestörten Lieferketten steigen die Transportkosten für Rohöl weltweit. Dies treibt die Preise für Ölprodukte und damit auch den Benzinpreis weiter nach oben und führt zu spürbaren Belastungen – auch für Verbraucher in Europa und Asien.
Und was passierte in dieser Woche? Der ADAC meldete in seinen Auswertungen, dass der Benzinpreis dramatisch gesunken ist. Nach Ansicht des ADAC war der Rückgang der Spritpreise "überfällig", die aktuellen Kraftstoffpreise seien nun wieder auf einem angemessenen Niveau. Denn, der Ölpreis war gesunken und in der Folge eben die Benzinpreise. Das meldete auch die Autozeitung unter dem Titel „Benzin- und Dieselpreis auf Jahrestief“.
Und was das Jahr 2027 anbetrifft. Eine Vorhersage über mehrere Wochen ist schwierig. Über zwei Jahre zu spekulieren ist eine Herausforderung. Und hierzu hat sich, auch im Focus, ein anderer Experte zu Wort gemeldet. Der hat gesagt, diese dramatische Preissteigerung 2027 werde es wohl nicht gegen.
Der Experte, Professor Dr. Alexander Eisenkopf aus Friedrichshafen, führte aus, dass es ausdrückliche und erklärte Absicht der EU sei, dass der CO2-Preis aufgrund des neuen Emissionshandels in den ersten drei Jahren nicht wesentlich über 45 Euro steigen soll : „In den ersten drei Jahren ist das EHS2 einsatzbereit. Übersteigt der Preis für Zertifikate 45 EUR (zu Preisen von 2020, d. h. inflationsbereinigt), können zusätzliche Zertifikate aus der Marktstabilitätsreserve des EHS2 freigegeben werden, um übermäßigen Preiserhöhungen entgegenzuwirken. Zertifikate können auch aus dieser Reserve freigegeben werden, wenn der Preis der Zertifikate zu schnell ansteigt. Eine andere Reaktion sei für die EU eine „Nahtoderfahrung“. Dies wolle sie sicher nicht.
Auch eine Quelle hierzu nannte der Professor. Das EU-Trading-System, und eben genau diese Pressemitteilung, wo die EU genau dass, was Professor Eisenkopf ausführt, selber formuliert.
Und warum die Experten so dramatisch danebenliegen, auch darüber spekuliert Professor Eisenkopf. Es sollte ein wenig Unsicherheit geschürt werden. Oder Verwirrung. Das bringe den Absatz von Elektroautos vielleicht doch in Schwung, weil das ja die Experten als Lösung empfehlen. Soweit würde ich nicht gehen. Vielleicht haben die Experten von der AGORA-Energiewende einfach aufgehört zu arbeiten, als sie ihr Ergebnis gefunden hatten. Vielleicht weil Wochenende war. Man weiß es nicht. Menschlich wäre es. Und es hat ja auch keiner widersprochen.
Und insgesamt. Auch wenn der Experte der „Finanzmarktwelt“ mit seiner These zum aktuellen Benzinpreis wohl daneben lag, stand am Ende seines Beitrags eine ganz wichtige Schlussfolgerung. „Die aktuelle Lage unterstreicht: Nur durch den konsequenten Ausbau nachhaltiger und resilienter Alternativen können Länder ihre Energieversorgung langfristig absichern. Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen ist nicht nur eine Frage des Klimaschutzes, sondern auch der geopolitischen Sicherheit und wirtschaftliche Stabilität.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.
Und wie man eine nicht-fossile Alternative auf den Weg bringt, darüber schreiben wir immer wieder gerne. Synthetische Kraftstoffe sind eine solche Alternative.
Fangt endlich an. Vielleicht am Montag. Aber diese Woche.
Schönen Restsonntag noch,
Stephan Zieger