Ziegers Zeilen (KW 10)
Wir könnten an diesem Wochenende über vieles schreiben. Im Bundesgesetzblatt wird mit der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Pkw-Energieverbrauchskennzeichenverordnung“ die Kennzeichnungspflicht über den Energieverbrauch von Pkw eingeführt – inklusive vorgeschlagenem CO2-Preis. Einen niedrigen, einen mittleren und einen hohen. Für alle Antriebsformeln. E-Fuels will man noch prüfen. Eine Reviewklausel gibt es in der Verordnung auch. Und für alle werden Muster festgelegt.
Wir hätten auch über den „Kampf um die Welt“ schreiben können. Die gut gemachte ZDF-Sendung beleuchtet viele Aspekte rund um die Globalisierung. Spannend wird es ab Minute 35:45. Da befasst man sich mit den Realitäten der Rohstoffversorgung. Von Lithium und von Kobalt ist die Rede. Von gehobenen Schätzen und geplanten Bergwerken. Hochrangige Experten kommen zu Wort. Der Lithiumbedarf wird sich versechsfachen. Von einer Versorgungslücke ist die Rede. Von Abhängigkeiten. Von Strategien auch. Hier ist Sigmar Gabriel interessant. Er sagt in Minute 41:40 dass es nicht das Problem ist, dass China eine geopolitische Strategie hat, sondern Deutschland keine. Ein Appell für Technologieoffenheit. Vielleicht ja sogar als Strategie. Schauen Sie selbst.
Seit gestern nachmittag haben wir ein anderes Thema für unsere Zeilen. Erinnern Sie sich an die Mustermanns. Mustermanns hatten eine Tankstelle im Münsterland. Im Rahmen eines Förderprogramms sollte eine Elektroladesäule hinzukommen. Weil man erst einmal testen wollte, wie der Markt sich entwickelte, entschied man sich für die Inanspruchnahme eines Förderprogramm für „kleine“ Schnellladesäulen vor Ort. 50 kW sollten reichen. Alles hat seine Zeit und so verging diese auch und Mustermanns bekamen recht spät ihre Freigabe für die Teilnahme am Förderprogramm. Über diesen Zeitablauf ging der in Aussicht genommene Ladesäulenanbieter in die Insolvenz und es wurde kompliziert, überhaupt noch 50-kW-Säulen zu bekommen. Mustermanns zeigten sich gelehrig und gingen in Verhandlung mit dem Fördergeber, eine 150 kW-Säule zu installieren. Ohne Aufpreis für den Fördergeber. Mehr Leistung am genehmigten Platz ohne Aufpreis. Und Sie erinnern sich. Das ging gar nicht. Das entsprach nicht dem Förderzweck. Und als Mustermanns dann nachhakten, zeigte sich der Fördergeber großzügig. Mehrpreis auf einige Kosten ja, aber keine Mehrleistung. Mustermanns hätten die Säule auf 50 kW herunterregeln müssen.
Viele haben diese Geschichte gelesen. Passiert ist nichts. Auch leider bei den Mustermanns. Und in dem kleinen Ort im Münsterland gibt es jedenfalls im Moment keine zusätzliche Ladesäule. Wer jetzt gedacht hätte, dass das ein Einzelfall ist, der hat sich getäuscht. Mustermanns hatten offensichtlich Verwandte in Bayern und Baden-Württemberg.
Jetzt ist ein Fall an uns herangetragen worden, der Mustermanns noch übertrifft. Sie kennen ja die Region, in der man statt Fasching Karneval feiert. Also von Koblenz bis Düsseldorf. Die Menschen sind gerne fröhlich hier. Auch bei den Anbietern von Strom. Kleine wie große. Und unser Mitglied, nennen wir ihn der Einfachheit halber Musterjong, um ihn von den Mustermanns zu unterscheiden, betreibt ein paar Tankstellen in der Region. Und Herr Musterjong ist nicht nur gerne fröhlich, sondern auch innovativ. Vor ein paar Jahren hat er dann auf einer seiner Tankstellen eine Ladesäule installieren wollen. Der Anbieter, die örtlichen Stadtwerke, reagierten schnell und unkompliziert. Die Säule stand innerhalb kürzester Zeit dort. Betreiber sollten die Stadtwerke sein.
Nach einer vielversprechenden Aufnahme vom Betrieb der E-Ladesäule, welche sich in Absatz und Frequenz sehr positiv darstellt, kam es zu einer Störung. Das war es dann aber auch. Wir hätten verstanden, wenn zwischen dem 11.11. und Aschermittwoch nichts passiert wäre. Tatsächlich aber passierte nahezu anderthalb Jahre nichts. Irgendwann wurde es Herrn Musterjong zu bunt und nach etlichen Gesprächen und Abmahnungen wurde der Vertrag aufgelöst. Ohne große Probleme. Das Equipment blieb stehen. Statt Abriss die Übernahme durch einen neuen Betreiber. Eigentlich ein gutes Ende.
Eigentlich. Musterjong hatte nach einem Messebesuch für eine andere Tankstelle in der gleichen Stadt ebenfalls Ladeinfrastruktur bestellt. Dort ging es schneller und zunächst besser. Aber dann stellte sich heraus, dass es nicht genügend Kapazität und Leistung für einen neuen Netzanschluss gibt. Außerdem gab es Probleme mit dem geplanten Standort der Ladesäule. Sie durfte nicht dort stehen, wo der Preismast stand. In der letzten E-Mail, die Musterung von seinem Kontraktor erhielt, schrieb dieser über seine Gespräche mit den Stadtwerken, dass er den Eindruck hätte, dass die Stadtwerke gar nicht an dem Standort interessiert seien beziehungsweise den gewünschten Stromanschluss nicht liefern wollen. Einen separaten zweiten Stromanschluss zusätzlich zum bereits bestehenden Tankstellenzähleranschluss zu erhalten, sei unmöglich. Das einzige, was möglich sei, sei die Kapazität des vorhandenen Stromanschlusses aufzuteilen. Somit wird aktuell geprüft und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch heute.
Spannend wäre es zu erfahren, ob diese kafkaesk anmutende Situation unabhängig von der Vorgeschichte entstanden wäre oder ob es einen Zusammenhang mit der Vorgeschichte gibt. Wir haben Herrn Musterjong versprochen, herauszufinden, ob er ein Solitär ist oder ob er bayerische, schwäbische oder sonstige Verwandten hat. So wie bei den Mustermanns.
Ihr Stephan Zieger