Ziegers Zeilen (KW 09)
Von Studien. Solchen und solchen und den Schlussfolgerungen die es zu ziehen gilt.
Elektroautos sind wieder auf dem Vormarsch. Sagt das Verbraucherforschungsunternehmen Potloc aus Montreal. Potloc hat im Auftrag der Unternehmensberatung Horvath 3.000 Verbraucher, davon 500 in Deutschland befragt. Den Vormarsch hat man festgestellt. Jedenfalls stimmungsmäßig. Die Anzahl derer, die sich vorstellen können ein Elektroauto zu fahren hat sich jedenfalls mehr als verdoppelt. Zitat Horvath: "Trotz der zum Teil negativen Stimmung wird den Menschen auch in Deutschland zunehmend klar, dass sie sich mit dem Elektro-Thema beim nächsten Autokauf zumindest beschäftigen werden."
Die Formulierung „Auch in Deutschland“ wüssten wir gerne interpretiert. Klingt wie „wird auch langsam Zeit“, aber das ist eine Wortwahl die wir so nicht kommentieren wollen. Zurück zur Meldung. Männer sind offener als Frauen (61 gegen 53 %). Hier wären Ausführungen hilfreich, wie die Gruppe der männlichen und weiblichen Befragten sich zusammensetzt. Beim Einkommen wird man etwas differenzierter. Während sich „in der Einkommensgruppe über 100.000 Euro 80 Prozent für ein E-Auto erwärmen könnten, waren es bei unter 50.000 Euro Jahreseinkommen nur 58 Prozent.“ Wie es dazwischen aussieht, geht aus dem Bericht nicht hervor. Das ist schade, denn das durchschnittliche Jahreseinkommen liegt bei 51.876 Euro. Und die überwiegenden Berufsgruppen liegen über der Schwelle 50.000 Euro und unter 100.000 Euro.
Die Umfrage schwächelt stark. Ein paar Durchschnittsverdiener hätte man schließlich befragen können. Ein paar Ideen sind nicht schlecht. So zum Beispiel die Aussagen zur Attraktivität der gebrauchten Stromer. Das andere sind Allgemeinplätze, Bei RND haben wir folgendes zur Seriosität von Umfragen gefunden. „Für bevölkerungsweite Umfragen werden in den meisten Fällen mindestens 1000 Personen befragt. Doch auch eine Stichprobe mit 100 oder 500 Teilnehmern kann aussagekräftige Ergebnisse liefern, wenn diese die Merkmale der Grundgesamtheit gut abbildet. Dabei gibt es jedoch eine Einschränkung: Bei kleineren Stichproben steigt auch die Wahrscheinlichkeit für statistische Fehler, die sogenannte Irrtumswahrscheinlichkeit.“
Daraus ergibt sich also, dass die Aussagekraft einer Studie nicht nur von der Größe ihrer Stichprobe abhängt. Die Genauigkeit der Ergebnisse nimmt jedoch zu, je mehr Personen befragt werden. Wir wüßten gerne, welche Aussagen auf dem deutschen Teil der Umfrage beruhen. Auch in China wurden Verbraucher befragt.
Das Thema ist auch im österreichischen „Kurier“ diskutiert worden. Dort vor allem, weil die Zustimmung zu den Stromern so hoch ist. Eine Studie der Unternehmensberatung Deloitte kommt nämlich zu gänzlich anderen Ergebnissen. Der Kurier: Erst am vergangenen Dienstag hat die Unternehmensberatung Deloitte seine "Global Automotive Consumer Study" herausgebracht. Dieser Studie zufolge ist das Interesse an Elektroautos deutlich geringer. In Deutschland sollen nur 14 Prozent der Befragten ein batterieelektrisches Modell bei ihrem nächsten Autokauf in Betracht ziehen, 9 Prozent können sich einen Plug-In-Hybrid vorstellen. Die Zustimmungszahlen in Österreich sind noch geringer.
Deloitte hat für die aktuelle Ausgabe der 2025 Global Automotive Consumer Study 31.000 Menschen in 30 Ländern befragt. Danach ist die Zustimmungsrate für Stromer noch erschreckend gering. 14 % sind es in Deutschland. Dazu kommen diejenigen, die sich für Hybride (12 %) und für Plug-in-Hybride (9 %) interessieren. Mit den 58 % bei Horvath hat die Zahl aber nichts zu tun.
Übrigens, die Studie ist spannend zu lesen. Sie enthält viele wirklich interessante Zahlen. Auch der Preis, den man zu zahlen bereit ist, ist aufgeschlüsselt. Und auch die Zahl derer, die in Deutschland gerne an einer Tankstelle ihr Elektrofahrzeug aufladen würden. Es sind 21 %. Kann sein, das angesichts der Probleme mit der Infrastruktur das Potential sogar deutlich größer ist, aber das ist heute nicht unser Thema.
Zurück zu beiden Studien. Natürlich macht man mit Zahlen Politik. Dafür taugt die Horvath-Studie aber nicht. Dazu sind ihre Unzulänglichkeiten zu offensichtlich. Für Stimmungen sind andere zuständig. Beispielsweise der Kölner Karneval. Studien wie Deloitte können den Weg weisen. Sie können der Politik zeigen, wo die Schwächen der (reinen) Elektromobilität liegen. Eben am Preis, an der Infrastruktur und vielen anderen Dingen mehr. Die Frage nach dem durchschnittlichen Preis für einen Stromer in Verbindung mit den Ankündigungen über den Termin wann er denn endlich kommt zeigt, dass die Ziele so schnell nicht erreichbar sind. Damit stellt sich die Frage nach den Alternativen. Sie wissen schon. Synthetische Kraftstoffe. Wenn nicht jetzt endlich die Weichen gestellt werden, sind Klimaziele nicht erreichbar. 2035 kommt schneller, als man erwartet.
Deswegen überlassen wir unser Schlusswort heute wieder einmal jemand anderem. Matthias Brügge, Leiter New Mobility bei AUTO BILD. Er hat zum Thema E-Fuels einen klugen Artikel geschrieben, dessen Lektüre wir nachhaltig empfehlen. Und zum Schluss zieht er ein Fazit, das auch unseres sein kann: „Können wir uns darauf verlassen, dass die umweltneutralen E-Fuels kommen, um unsere Benziner- und Dieselflotte damit zu betanken? Kommt darauf an, wen man fragt. Die Industrie sagt ja, die Umweltschützer sagen nein. Fest steht: Wenn nicht jetzt die Weichen für eine E-Fuel-Industrie gestellt werden, wird es nichts bis 2035.“
In diesem Sinne, einen schönen Sonntag und wo es geht, einen schönen Rosenmontag,
Stephan Zieger