Ziegers Zeilen (KW 04)
Am Samstagmorgen bin ich darüber gestolpert, dass jetzt die günstigen Stromer kommen sollen
Fangen wir klein an. Meine erste Zeitung jeden Tag ist die Kölnische Rundschau. Zusammen mit einer Tasse Kaffee ist das die erste Orientierung, die der Tag so bietet. Auch wenn ich zugebe, dass ich auch schon E-Mails gelesen und mir ein paar andere Online-Ausgaben von Zeitungen angeschaut habe.
Am Samstag morgen bin ich darüber gestolpert, dass jetzt die günstigen Stromer kommen sollen. Seite 12 des Wirtschaftsteil wurde von dieser Überschrift dominiert. Schöne Überschrift. Dann kann es ja losgehen mit der E-Mobilität. Mit der für die Masse. Wir haben schon verschiedentlich darüber geschrieben. Aber das schien die Antwort. Ganz einfach am Samstag morgen bei einer Tasse Kaffee. Aber schon die zweite Zeile verdarb uns die Lust an der Elektromobilität. Zum Glück nicht am Kaffee.
E-Mobilität wird 2025 erschwinglicher: Neue Modelle unter der magischen Grenze von 30.000 Euro rollen an. Ok. Kurzes Überlegen und dann weiter im Text. Gut recherchiert. Es ist Bewegung drin. Die Autos werden günstiger. Aber sie sind noch nicht günstig. Was sich wie ein Wortspiel anhört, ist ein echtes Thema. Günstige Autos haben die Mobilität angeschoben. Die Tin-Lizzy bzw. das Ford Model T und Käfer oder Golf waren bahnbrechend zu ihrer Zeit. Und sie waren im Vergleich nicht nur günstiger sondern günstig. Für Massenmobilität oder einen Umschwung in Richtung der 15 Millionen reicht das nicht. „Jetzt kommen die günstigereren Stromer“ hätte die Überschrift sein sollen. Auf die günstigen müssen wir noch ein wenig warten.
Auch wenn wir auf BYD hoffen. Aber da schreibt die Neue Osnabrücker Zeitung: „Während der Konzern (gemeint BYD) den Kompaktwagen in China für umgerechnet 25.000 Euro verkauft, muss man Deutschland knapp 38.000 Euro zahlen. Warum, so fragt die NOZ, soll ein deutscher Kunde so viel Geld für eine wenig bekannte Marke ausgeben, wenn das vergleichbare Modell von VW, der ID 3, aktuell für 5.000 Euro weniger zu haben ist.“ 17 % Zölle sind in diesem Preis drin. Die wird der Konzern los, aber eben noch nicht in diesem Jahr, wenn die BYD-Produktion in Ungarn startet. Andere produzieren in Polen, um den gleiche Effekt zu erreichen. Und richtig günstige hat der Konzern gar nicht. Dafür zitieren wir erneut die Neue Osnabrücker Zeitung. Aber ein E-Auto für 20.000 Euro, was viele Menschen in Deutschland gerne hätten, wird es wohl auch von BYD nicht geben. „Das ist unmöglich“, sagte Stella Li, Europa-Chefin von BYD, im Herbst der FAZ. „Wir haben kein Modell, das so niedrige Kosten erreicht."
Dabei ist der Konzern schon günstig aufgestellt. In der Heimat kann BYD seine Flotte zu 30 Prozent geringeren Kosten produzieren als vergleichbare westliche Hersteller, wie Analysten der Großbank UBS berechnet haben. Gerade bei den Batterien erzielt das Unternehmen die größten Einsparungen. Denn China kontrolliert praktisch die gesamte Lieferkette für die Produktion von Akkus für E-Autos. Danach ist das Rennen offen. Aber Transport, Vertrieb und Marketing kosten eben auch Geld. Beim Transport haben die Chinesen und sogar BYD den Fuß in der Tür. BYD hat eigene Schiffstransporter. Die Häfen in Europa verspüren den Zugriff der Chinesen. Vertrieb und Marketing sind noch offen. Damit sind wir wieder am Anfang. Es wird günstiger. Aber mehr nicht. Die günstigereren Stromer sind immer noch nicht da. Und die 15 Millionen bis 2030 werden wir mangels entsprechender Kaufkraft wohl nur schwierig erreichen.
Der Anreiz für mehr Fahrzeuge kann daher nur über die Betriebskosten erreicht werden. Die kann auf zweierlei Art und Weise erzeugt werden. Strom wird preiswerter oder Benzin wird (extrem) teurer. Letzteres könnte 2027 drohen. Eine Studie der „Agora Verkehrswende“ geht davon aus, dass der Benzinpreis dann quasi über Nacht um 38 Cent steigen könnte, und zwar pro Liter. Das andere ist der preiswerte Strom. Jetzt sind wir beim Wortspiel von eben. Er müsste günstiger werden. Eben nicht teurer. Zwar sind die Beschaffungskosten für viele Verbraucher gesunken, aber es sind andere Dinge, die den Strompreis teuer halten.
So zitierte die Tagesschau vor ein paar Wochen einen Energiemarkexperten: In einigen Regionen werde es bereits 2025 zu höheren Endkundenpreisen kommen, da die Erhöhung der Netzentgelte und Umlagen den Rückgang der Beschaffungskosten übersteige. "Von dauerhaft sinkenden Haushaltskundenpreisen deutlich unter das derzeitige Niveau ist nicht auszugehen", lautet sein Fazit.
Am Erfolg der Elektromobilität müssen wir halt noch ein bisschen arbeiten.
Aber auch dies hier ist kontraproduktiv. Wir fügen noch eine kleine Pressemitteilung an. Der Boom bei den Rechenzentren belastet Stromnetze. Das berichtet unter anderem das Handelsblatt. Zwei Prozent des globalen Energiebedarfs verschwinden jetzt schon in den Rechenzentren, die Zentrum der KI sind. Das Wachstum nehme noch weiter zu. In fünf Jahren wird doppelt so viel Strom nachgefragt werden. So das Handelsblatt. Auf einzelnen Märkten führe der hohe Energiebedarf allerdings bereits zu Vorgaben und Einschränkungen bei der Genehmigung neuer Objekte. Vielleicht ist das der Grund, warum man in Amerika an der Weiterentwicklung der KI intensiver arbeiten kann, als in Deutschland.
Trotzdem, zurück zum Stromer. Ein steiniger Weg zum Erfolg. Und zum Schluss kommt der ADAC jetzt auch noch mit einer Studie um die Ecke. Er hat 84 Fahrzeuge unter die Lupe genommen. Stromer, Hybride und Verbrenner. Die Bilanz ist gemischt. Ein böses Zitat aus der Auswertung des Tests. „Es kann rechnerisch sein, dass ein Auto mit Verbrennungsmotor pro Kilometer zum Teil weniger Schadstoffe ausstößt als ein E-Auto.“ Der Sonntag ist uns zu heilig, als dass wir uns jetzt in Häme oder Schadenfreude ergehen wollen. Versöhnlich endet der Beitrag in der Rundschau mit einem Verweis auf die Fakten. Und da zitieren wir wörtlich. Pauschal ist das schwer zu beantworten, da es nicht nur vom Fahrzeug selbst sowie vom Fahrverhalten abhängt, sondern auch von den Entwicklungen in der Energiegewinnung oder den Produktionstechniken.
Sprich: Je grüner der Strommix, desto früher rechnet sich auch das E-Auto fürs Klima. Günstiger grüner Strom für günstigere Stromer. Sie sehen, wir haben das Thema noch nicht aus den Augen verloren. Ja, so ginge das. Wenn dann die Kosten stimmten, wäre das ideal. Günstiger grüner Strom für dann hoffentlich (wirtschaftlich) günstige Stromer.
Aber. Keine Angst, in drei Sätzen sind wir am Schluss. Wenn wir das fürs E-Auto annehmen, stünde einer anderen Annahme nichts entgegen. Je grüner der Energiemix, desto früher rechnet sich auch der Verbrenner/ Hybrid für das Klima. Wir würden da an E-Fuels und HVO denken.
Nächstes Mal wird es nicht so kompliziert. Aber trösten Sie sich. Einfache Antworten stimmen meistens nur auf den ersten Blick.
Einen schönen Restsonntag noch,
Stephan Zieger