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Zieger Zeilen (KW 9)

Heute wird es kompliziert. Aber wir fangen einfach an. Letzte Woche hatten wir ja über die Äußerungen der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen berichtet. Wie man aus einer unpolitischen Bemerkung ein Politikum macht oder umgekehrt. In dieser Woche erschien in der Online-Ausgabe der „auto motor und sport“ ein Beitrag mit der Überschrift „Ursula von der Leyen will Verbrenner-Verbot prüfen“. Eine tolle Überschrift. So formuliert, dass sich eigentlich jeder in dieser Überschrift wiederfinden kann. Probieren Sie es aus. Denken Sie, Sie sind ein Gegner des Verbots. Stellen Sie sich dann vor, Sie seien ein Befürworter oder jemand der alle Optionen offenhalten will. Merken Sie es? Es passt immer. Man könnte glauben, der Autor der Überschrift hätte Spaß an seiner „offenen“ Formulierung gehabt. Kompliment!

Aber das nur am Rande. Frau von der Leyen ist ja auch die Spitzenkandidatin der EVP. Und auch darüber berichtet das Magazin in diesem Beitrag. Die EVP will wirklich ran an das Verbrennerverbot. Das steht im noch unveröffentlichten Wahlprogramm der EVP tatsächlich drin. Und die Quelle ist seriös.

Aber es steht auch noch mehr in diesem Beitrag. Eine wirkliche Übersicht der aktuellen Situation rund um die E-Fuels. Der Bericht über die anstehenden Klagen. Vieles. Ein paar Ungereimtheiten aber auch noch. E-Fuels kosten immer noch 5 Euro. Wir waren zwar schon ein paar Mal teurer in der Berichterstattung, aber man könnte zumindest darauf hinweisen, dass es nach Expertenschätzungen wesentlich preiswerter wird. Dafür muss aber der Turbo anspringen. Und wenn er anspringt, dann gilt das was Prof. Koch vom KIT aus Karlsruhe gesagt und vorgerechnet hat. Das hat er schon 2023 getan. „Berücksichtigt man eine vergleichbare Belastung wie heute mit CO?-Steuer, Energiesteuer, Mehrwertsteuer und Kfz-Steuer, so sind E-Fuels mit Verbrennungsmotoren eine sehr bezahlbare Alternative, vor allem für Menschen mit einem kleinen Einkommen“, so Koch. Koch geht von Herstellungskosten von weniger als einem Euro aus. Unseriös ist diese Annahme nicht, denn auch die Luftfahrt und die Schifffahrt wollen E-Fuels. Und sie wollen sie unbedingt. Auch das hatten wir schon einmal erörtert. Sie wollen es so deutlich und mit Vorrang seit sie wissen, was E-Fuels tatsächlich kosten.

Dennoch. Ein sehr gelungener und lesenswerter Beitrag, der den derzeitigen Sachstand richtig wiedergibt. Und am Ende für Zahlenjunkies viele wichtige Zahlen zur europäischen Automobilbranche. Ein kleines Beispiel hier: 14,6 Millionen Europäer arbeiten in der Automobilindustrie, das sind 6,7 Prozent aller EU-Jobs. 226 Fahrzeugmontage- und Produktionswerke gibt es in der EU.

Und wo wir gerade über die europäische Automobilbranche reden, müssen wir einmal auf BYD schauen. BYD ist ein Automobilhersteller. Aus China. In Deutschland und Europa (noch) ein kleiner Hersteller. Allerdings. BYD hat im vergangenen Jahr 18.000 Hochschulabsolventen eingestellt. BYD beschäftigt 90.000 Ingenieure und zählt 700.000 Angestellte. Damit sind sie so groß wie Volkswagen. Und sie bauen pro Jahr drei Millionen Elektroautos. Damit sind sie größer als Tesla. Auf einer Messe sagten Vertreter von BYD der FAZ, die nach Wettbewerbsverzerrungen fragte: „Wenn die Europäische Union eine Entscheidung zu chinesischen Autoeinfuhren trifft, wollen wir ohnehin schon hier sein.“ Grund für die Frage der FAZ waren Ankündigungen der EU-Kommission, die Lieferungen chinesischer Fahrzeuge auf wettbewerbsverzerrende Subventionen zu untersuchen.

Parallel zu den Untersuchungen starten die chinesischen Hersteller eine Flutung des deutschen und des europäischen Fahrzeugmarktes. Ein BYD-eigener Frachter, die„BYD Explorer 1“, der erste eigene, ist in diesen Tagen nach kurzem Stopp in Antwerpen in Bremerhaven angekommen und hat 3.000 Fahrzeuge ausgeladen 1.500 Autos rollten zuvor in Antwerpen von Bord. Zusammen 4.500 Fahrzeuge. 4.135 Fahrzeuge aus China wurden 2023 insgesamt in Deutschland verkauft. Dies alles lesen wir bei Focus-Online. Tagesschau.de bewertet die Jungfernfahrt des „BYD-Explorer 1“ als Kampfansage. Die Branche selber hofft auf „Schützenhilfe“ aus Brüssel. Und Brüssel kündigt Strafzölle an. Und damit sind wir beim Beginn des Beitrags über BYD. Wenn Brüssel eine Entscheidung trifft, produziert BYD längst in Europa. BYD bedeutet übrigens „Build Your Dreams“. BYD ist Sponsor der Fußballeuromeisterschaft 2024. Und nicht mehr Volkswagen. Die Marktführerschaft bei Automobilen in China hat Volkswagen im letzten Jahr an BYD abgegeben. Wie die Geschichte ausgeht, wissen wir noch nicht. Aber 1995 war BYD nur ein chinesischer Batteriehersteller, der auch deutsche Autokonzerne zu seinen Kunden zählte.

Vielleicht hat das alles auch etwas mit dem Verbrennerverbot zu tun. Auch mit dem Einsatz für all-electric, den die Branche selber lebt. Und bei all-electric gibt es keinen Technologievorsprung Europas gegenüber den asiatischen Herstellern. Diesen Vorsprung hatte man bisher bei der Verbrennertechnologie. Den Rest denken Sie sich bitte selbst.

Und weil wir auch diese Woche jemandem das Schlusswort geben wollen, überlassen wir es Holger Wittich, dem Autor des zu Anfang besprochenen Beitrages aus „auto, motor, sport“: „Ob ab 2035 genügend E-Fuels zu einem akzeptablen Preis für den Autoverkehr zur Verfügung stehen, entscheidet jetzt der Markt.“ Auch dem ist nichts hinzufügen. Und die Betonung liegt auf „jetzt“!

Ihr Stephan Zieger

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