Entscheidung des BAG zur Entlohnung von Frauen und Männern
Das Thema „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zieht im Moment seine Kreise durch die höchsten Gerichte. In der letzten Ausgabe der bft-Nachrichten (1/2023) hatten wir darüber berichtet, dass das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine ungleiche Behandlung einer Voll- und einer Teilzeitkraft für unwirksam erklärt hatte. Jetzt hat sich das BAG mit der unterschiedlichen Entlohnung von Frauen und Männern beschäftigt. Auch dieses Urteil sollten Sie in Ihrem täglichen Geschäft berücksichtigen.
In dem jetzt entschiedenen Fall hatte eine Außendienstmitarbeiterin ein Gehaltsangebot ihres Arbeitgebers mit entsprechenden Steigerungsraten angenommen. Der Arbeitgeber beschäftigte zwei weitere männliche Mitarbeiter im Außendienst, die eine bessere Entlohnung erhielten. Dagegen wandte sich die Klägerin, verbunden mit einer Nachforderung für die zurückliegenden Monate. Außerdem trug sie vor, dass der Beklagte sie beim Entgelt aufgrund des Geschlechts benachteiligt habe und er ihr deswegen die Zahlung einer angemessenen Entschädigung in Höhe von mindestens 6.000 Euro schulde. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben aufgrund der jeweils einzelnen Gehaltsgespräche entschieden, dass hier die Frage des Verhandlungsgeschicks entscheidend gewesen sei und nicht eine Diskriminierung wegen des Geschlechts. Die Vorinstanzen haben die Klage beide abgewiesen.
Das Bundesarbeitsgericht hat seine zusprechende Entscheidung mit einer Kette von Paragrafen begründet. Einschlägig waren die §§ 3 und 7 des Entgelttransparenzgesetzes. § 3 dieses Gesetzes verbietet eine unmittelbare und mittelbare Entgeltbenachteiligung aufgrund des Geschlechts. § 7 ist die andere Seite der Medaille. Dort gibt es das Gebot der Entgeltgleichheit. Beides ist hier nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts gegeben.
Normalerweise muss ein Kläger seinen Anspruch begründen und beweisen. Das konnte die Klägerin hier natürlich nicht. Deswegen hat der Gesetzgeber in § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) für solche Fälle eine Brücke gebaut. Kann in einem Fall die Vermutung einer Diskriminierung nachgewiesen werden, wechselt die Beweislast und die andere Partei muss beweisen, dass eine solche Diskriminierung eben nicht vorliegt.
Kein Grund: Verhandlungsgeschick
Der beklagte Arbeitgeber hat bei gleicher Tätigkeit zwei Männer besser bezahlt als eine Frau. Er hat vorgetragen, dass das Verhandlungsgeschick hier größer gewesen sei. Dem ist das Arbeitsgericht nur teilweise gefolgt. Verhandlungsgeschick mache diesen Unterschied offensichtlich nur teilweise aus. Schon das Grundgehalt der Klägerin war geringer als das der beiden anderen Außendienstmitarbeiter.
Und weil das Bundesarbeitsgericht eine Benachteiligung wegen des Geschlechts ausgemacht hatte, war § 15 des AGG einschlägig. Absatz 1 gibt den Anspruch auf Ersatz des durch die Diskriminierung entstandenen Schadens. Das ist die Differenz zwischen den Gehältern für den fraglichen Zeitraum. Absatz 2 dieser Norm gibt zusätzlich einen Schadensersatzanspruch wegen der Diskriminierung. Untechnisch gesagt, ein Schmerzensgeld. Dies hat das Gericht geringer berechnet als die Klägerin. Aber den Anspruch hat es bejaht.
Für die Praxis an der Tankstelle bedeutet dies, dass nicht nur bei den vielen Aushilfen und den Vollzeitbeschäftigten keine Unterschiede mehr gemacht werden dürfen, es sei denn, sie lassen sich begründen. Nach dem jetzt besprochenen Urteil darf der Arbeitgeber auch beim Lohn keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen machen. Am Ende bedeutet dies nicht bis ins Einzelne eine Einschränkung der Vertragsfreiheit. Sie muss nur begründet werden. Besseres Verhandlungsgeschick ist kein Grund, tatsächliche Differenzierungspunkte aber immer noch. Auch dieses Urteil wird nach Veröffentlichung der Entscheidungsbegründung seinen Eingang in den Alltag finden. Sprechen Sie bei Zweifeln schon jetzt Ihre Berater an.
Und wir fürchten, dass das Thema Gleichbehandlung noch eine dritte Fortsetzung erhält. Beim Bundesarbeitsgericht sind Verfahren wegen unterschiedlich hoher Zuschläge bei der Nachtarbeit angekommen. Hier müssen wir aber auf noch anstehende Veröffentlichungen hinweisen. Erkennbar ist aber aus ersten Presseveröffentlichungen, dass dort eine größere Differenzierung möglich ist.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 16. Februar 2023 (8 AZR 450/21)
Vorinstanz: Sächsisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 3. September 2021 (1 Sa 358/19)
Stephan Zieger, Geschäftsführer des bft