Gibt es dafür einen Gehaltsanspruch?
Betriebsschließung wegen Corona
Gibt es dafür einen Gehaltsanspruch?
In den beiden vergangenen Jahren ist es immer wieder zu Betriebsschließungen wegen Corona gekommen. Behördlicherseits wurden Schließungen veranlasst. An anderen Orten schlossen Betriebe, weil die Belegschaften komplett in Quarantäne waren.
Abseits von Lohnfortzahlungen im Krankheitsfall für konkret von einer Coronaerkrankung betroffene Mitarbeiter kamen immer wieder die Fragen auf, ob der Arbeitgeber für ausgefallene Lohnzahlungen haften müsse. Bislang wurde diese Fragen danach beantwortet, in wessen Risikosphäre ein Vorgang fiel. So waren Verspätungen von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Erkrankungen der Risikosphäre des Arbeitnehmers zuzuordnen. Umgekehrt waren betriebsorganisatorische Fragen eine Frage der Sphäre des Arbeitgebers. Das galt auch dann, wenn die Gründe für die Betriebsstörung in einem Versagen der sachlichen oder persönlichen Mittel des Unternehmens liegen und unabhängig davon, ob das Betriebsrisiko außerhalb seiner direkten Einflusssphäre liegt. Selbst Betriebsschließungen aufgrund „höherer Gewalt“, die von außen einwirken und zu einer Einstellung des Betriebes führen, bspw. Betriebsschließungen aufgrund einer behördlichen Anordnung, galten als der Risikosphäre des Arbeitgebers zugewiesen und führten zu einer Lohnzahlungspflicht.
Das Bundesarbeitsgericht hat in einer neueren, jetzt veröffentlichten Entscheidung seine Rechtsprechung geändert. Anlass hierfür war eine Betriebsschließung wegen Corona im allgemeinen Lockdown. Der Betrieb des Beklagten war aufgrund einer Allgemeinverfügung geschlossen worden. Der Inhaber des Betriebes zahlte der späteren Klägerin und weiteren Mitarbeitern kein Gehalt. Er begründete dies mit der Betriebsschließung. Mahnungen durch die Klägerin beachtete er nicht.
Die betroffene Mitarbeiterin erhob daraufhin Klage mit dem Antrag, den Beklagten zur Zahlung des ausstehenden Gehalts zu verpflichten. Vor dem Arbeitsgericht und vor dem Landesarbeitsgericht hatte die Klage Erfolg. Der Beklagte hatte sich gegen den Klageantrag in beiden Instanzen damit gewehrt, dass die Schließung wegen der Pandemie nicht seiner Risikosphäre zuzuordnen sei.
Das Bundesarbeitsgericht hat sich intensiv mit der Streitfrage beschäftigt und entschieden, dass kein Annahmeverzug durch den Arbeitgeber vorgelegen hat, er also keine Gehaltszahlung schuldet. Eine Betriebsschließung aufgrund der Pandemie sei nicht mit höherer Gewalt zu vergleichen. Dies sei anders, wenn aufgrund der Pandemie Rohstoffe, Kunden oder Absatzrückgänge drohten und der Arbeitgeber hierauf selber reagiert. Auf die Schließungsanordnung hat er keinen Einfluss. Das sei Ergebnis einer hoheitlichen Maßnahme. Mit dieser hoheitlichen Maßnahme wolle der Staat die Pandemie bekämpfen. Dann, so das Bundesarbeitsgericht, müsse der Staat auch für den Ausgleich sorgen. Darüber hatte das BAG aber nicht zu befinden, sondern nur über die Gehaltszahlungsklage. Folgerichtig wurde diese abgewiesen. Anders wäre es gewesen, wenn die Schließungsanordnung dazu gedient hätte, die Pandemie nur im Betrieb des Beklagten zu bekämpfen.
Bei staatlichen Maßnahmen kann daher davon ausgegangen werden, dass kein Annahmeverzug eintritt.
Quelle: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13.10.2022, Az. 5 AZR 211/ 21, veröffentlicht in NJW 2022, S. 560 ff.