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Interview: „Ich bin ein Ergebnis des bft-Strategieprozesses“

Von der Aushilfskraft an der Tankstelle zum Geschäftsführer des Bundesverbands freier Tankstellen: Mit Daniel Kaddik hat der bft seit April 2023 wieder einen zweiten Geschäftsführer im Hauptstadtbüro. Im Interview verrät der 41-Jährige, wie er den Verband und die Themen der Mitglieder positionieren will, welche To-dos ganz oben auf seiner Liste stehen – und was das Highlight der ersten Wochen war.

Herr Kaddik, wann hatten Sie Ihren ersten Berührungspunkt mit der Tankstellenbranche?
Ich habe bereits als Schüler zwei Jahre lang an einer Shell-Tankstelle in Rheda-Wiedenbrück gearbeitet. Dabei habe ich einen sehr interessanten Einblick ins Business bekommen und gesehen, wie viel Arbeit eigentlich bei einer Tankstelle dazugehört. Es geht nicht nur darum, Kraftstoff zu verkaufen oder eine Glühbirne im Auto auszuwechseln, sondern die Tankstelle fungiert auch als Nahversorger. In der Frühschicht am Sonntag war ich derjenige, der den Menschen Brötchen und die Zeitung verkauft hat, in der Spätschicht alles, was für den Fernseh- oder Partyabend nötig war. Unsere Kundschaft war so durchmischt wie unser Süßwarensortiment, ein echter Spiegel der Gemeinschaft mit allem Guten und Schlechten. Ich habe bei diesen Begegnungen viel über Konfliktmanagement gelernt und gleichzeitig erfahren, was die Menschen eigentlich so über die verschiedensten Themen denken. Tankstelle ist für mich deshalb nicht nur Verkauf oder die Sicherstellung von Nahversorgung, sondern eben Teil einer Gemeinschaft. Das finde ich sehr spannend. 

Durch die Verkehrswende ist die Branche in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr?
Es ist bei der Verkehrs- und Energiewende viel im Umbruch. Das schafft Unsicherheit, denn oft sieht es nicht so aus, als wollte man die kleinen und mittelständisch organisierten Tankstellenunternehmen bei dieser Entwicklung mitnehmen. Dieser Eindruck hat sich in den ersten Wochen beim bft bestätigt. Dabei geht es nicht nur um das Verbot des Verbrenners, ohne dabei Alternativen anzubieten. Da sind Dinge wie die Zwangsladesäule, die in den nächsten fünf Jahren an allen Tankstellen stehen soll – ganz egal, ob sich ein Unternehmer das finanziell, personell und vom Platz her leisten kann oder nicht. Der bft muss als eine zentrale und wichtige Stimme des Energiemittelstands und der unabhängigen Tankstellen der Politik und den Menschen zu verstehen geben, was die neuen Regularien eigentlich bedeuten. Allein viel Vorstellungskraft und Willen reichen für diesen fundamentalen Umbruch in der Verkehrsinfrastruktur nicht aus. Es muss realistisch sein und wir müssen wissen, wer welche Aufgaben übernimmt und woher die Ressourcen kommen. Von der Planung über die Förderung, Netzanschluss und Aufbau bis schließlich zur einfachen Frage: Woher kommt der Strom? Hier sehe ich deutlichen Nachbesserungsbedarf. Das stärkt meinen Willen, mich mit dem bft und für unsere Mitglieder gerade in den Bereichen E-Fuels, HVO, der Besteuerung und bei den verschiedenen Regularien und Zwängen, die unseren Mitgliedern und letztendlich den Kunden auferlegt werden, einzusetzen.

Für diese Aufgaben bringen Sie viel Erfahrung mit. Wie profitieren die Mitglieder davon?
Zum Glück sind Strategie- und Kampagnenarbeit wie physikalische Gesetze – die Prinzipien sind überall gleich. Es bedarf jedoch einer Anpassung von Themen und Methoden. Das habe ich in der Vergangenheit für die eigenen Organisationen, aber auch für meine Partner gemacht. Meine Aufgabe war es zuletzt, einerseits die Stimme der Mitglieder in Brüssel zu sein und andererseits sie darüber zu informieren, was dort auf politischer Ebene passiert. Ich musste mich nicht nur mit aktuellen Themen auseinandersetzen, sondern auch beobachten, welche Themen hinterm Horizont warten. Nur so konnten wir uns strategisch besser auf Neuerungen einstellen, statt von Dingen überrascht zu werden. Und wir konnten sie kommunikativ verpacken, sodass sie auch verdaulich waren. Zuletzt habe ich immer den nunmehr 50 MitgliedernWerkzeuge an die Hand zu geben, die sie bei ihrer Arbeit nutzen können. Das sind zum Beispiel die Möglichkeiten der Digitalisierung.

Das heißt, ein Schwerpunkt Ihrer Tätigkeit beim bft wird auf der politischen Arbeit liegen? 
Ja. Ich habe über 14 Jahre im politischen Maschinenraum auf verschiedenen Ebenen gearbeitet. Daher habe ich einen guten Einblick darin, wie Politik gemacht wird, ich weiß um die Defizite im politischen Prozess, insbesondere wenn Stimmen aus der Praxis nicht gehört werden. Ich weiß aber auch, wie man Stimmen stärkt und damit wie man Themen platzieren kann. Wir sind in einer Situation, in der die Stimmen derjenigen, die der Branche die Existenzgrundlage entziehen wollen und die ideologisch in eine bestimmte Richtung gehen, so laut sind, dass es eine starke Gegenstimme des Energiemittelstandes braucht. Zu dieser Stimme möchte ich dem bft, seinen Mitgliedern und der gesamten Branche verhelfen.

Wie funktioniert das konkret?
Wir werden mehr Informationen über unsere Branche und das, was in unserer Branche passiert, herausgeben. Wir sehen zum Beispiel gerade im Bereich E-Fuels sehr viele Dinge im politischen und medialen Diskurs, die nicht fakten-, sondern vor allem ideologiebasiert sind. Wir sehen, dass Fakten, die von uns kommen, weggewischt oder sogar teilweise ins Lächerliche gezogen werden – ohne Argumente auf der Gegenseite. Außerdem werden wir Entscheidungsträger direkt ansprechen, sie informieren und unsere Kampagnen- und Medienarbeit ausbauen. Deshalb haben wir angefangen, direkt auf Politiker zuzugehen, zum Beispiel beim FDP-Parteitag. Wir werden das Gleiche bei den anderen demokratischen Parteien tun. Wir werden bei deren Veranstaltungen präsent sein und wir werden umgekehrt in Zusammenarbeit mit unseren Mitgliedern und anderen Mittelstandsorganisationen Politiker bei unseren Veranstaltungen als Referenten und Teilnehmer einbinden. Damit verdeutlichen wir, dass wir zentral im Mittelstand stehen und nicht nur unsere eigenen Interessen vertreten, sondern mit anderen Branchen eng zusammenarbeiten und an einem Strang ziehen. Wir wollen zeigen, dass der Mittelstand im Bereich der Tankstelle ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist, der die Wirtschaft in Deutschland in Bewegung hält. Der bft vertritt fast 2.800 Tankstellen, die mit ihrer Arbeit sicherstellen, dass Arbeitnehmer zu ihren Arbeitsplätzen kommen, die sicherstellen, dass vor Ort Bürger versorgt werden können. Das müssen die Menschen verstehen. 

Wie wird die Kommunikation zum Thema Elektromobilität aussehen?
Hier müssen wir der Politik einige Fehlschlüsse aufzeigen. Es geht nicht nur darum, was sich Menschen leisten können, sondern auch was unser Energiesystem leisten kann. In der jetzigen Form können wir den Verkehr nicht elektrifizieren. Vor allem auf langer Strecke sind E-Autos keine Alternative. Selbst wenn wir die Ladeinfrastruktur so aufbauen, wie sich das bestimmte politische Kreise vorstellen, werden wir nicht genug Energie haben, um diese Fahrzeuge zu betreiben. Gerade mit Blick auf die Energiewende befindet man sich in Deutschland in einer Situation, wo man auf Kante näht. Derzeit versuchen wir, unsere bisherigen Stromquellen mit sogenannten erneuerbaren Energien zu substituieren, aber wir werden mehr Energie brauchen, um besagte Elektrifizierung im Transportsektor zu schaffen. Da reicht es nicht zu auszutauschen, wir müssen ausbauen. Darauf müssen wir hinweisen. Und wir müssen verdeutlichen, dass es mit E-Fuels und HVO100 klimaschonende Alternativen zur E-Mobilität gibt. Hier müssen wir stärker auftreten und lauter sein gegenüber den Politikern und anderen Menschen, die unser Geschäftsmodell in Frage stellen. Unter anderem dafür bin ich da. 

Wie wird denn die Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin sein?
Ich habe das große Glück, ganz hervorragende Kolleginnen und Kollegen zu haben. Auf der einen Seite in Bonn mit Herrn Zieger, der einen unglaublichen Wissens- und Erfahrungsschatz hat und der die Branche und die Mitglieder sehr gut kennt. Auf der anderen Seite haben wir mit Sarah Schmitt jemanden in Berlin, die sich nicht nur sehr gut im regulatorischen Bereich auskennt, sondern auch großartige kreative Ideen hat, wie man die Branche vertreten kann. Die Aufteilung wird also so sein, dass sich Herr Zieger in der Geschäftsstelle in Bonn eher auf den internen Teil konzentriert, das heißt unter anderem auf die Mitgliederbetreuung. Und ich bin für die Bereiche Strategie, Kommunikation und politische Vertretung zuständig. 

Stichwort Strategie: Im vergangenen Jahr hat der Vorstand die neue Strategie des bft präsentiert. Wie geht es da weiter?
Ich bin ein Ergebnis dieses Strategieprozesses. Dass wir stärker nach außen gehen und unsere Position kommunizieren wollen, ist ebenfalls Teil des Strategieprozesses. Dass wir da hingehen, wo es weh tut, dass wir uns mit den Gegnern unserer Position auseinandersetzen, ist Teil davon. Und dass wir unsere Interessen gemeinsam mit anderen vertreten, ist etwas, wo wir uns strategisch anders aufstellen. Ein Beispiel ist unsere Kampagne eFUEL-TODAY, die wir jetzt gemeinsam mit anderen europäischen Verbänden stärker nach vorne tragen. Der Drops „Verbrennerverbot“ ist noch nicht gelutscht. Es stehen noch sehr viele Fragezeichen im Raum was alternative Kraftstoffe angeht, wie das Ganze umgesetzt wird und es gibt noch immer die Gefahr, dass uns am Ende ein Strich durch die Rechnung gemacht wird. Deshalb können wir uns nicht auf dem ausruhen, was vom deutschen Verkehrsministerium in Brüssel erreicht worden ist. Wir müssen das europäisch mit anderen Verbänden flankieren, damit es nicht eine rein deutsche Bewegung ist, sondern eine europäische Mittelstandsinitiative. Und wir müssen verändern, wie wir über Themen sprechen. 

Das bedeutet?
Das Thema E-Fuels ist nicht nur ein Versorgungsthema, es ist auch ein Lieferkettenthema, das europäisch diskutiert wird. Beim Aufbau einer weltweiten E-Fuels-Infrastruktur können wir für die Länder eine Entwicklungsperspektive schaffen, in denen Demokratie und Menschenrechte deutlich höher gehalten werden als in Ländern, in denen in der Vergangenheit Öl und Gas für Deutschland hergekommen sind. Wir können klar machen, dass wir die Verkehrswende mit Mitteln wie E-Fuels etwa aus Chile oder Australien möglich machen. Wir könnten die bestehende Infrastruktur in Deutschland weiter nutzen, was einen großen Effizienzgewinn mit sich bringt, und gleichzeitig Arbeitsplätze und Perspektiven in anderen Ländern schaffen.

Welche To-dos stehen neben der Weiterentwicklung der Strategie und dem Ausbau der Kommunikation oben auf Ihrer Liste?
Natürlich machen aktuelle Themen wie E-Fuels, HVO100, Zwangsladesäule, Mindestlohn, Energiebesteuerung usw. ein schnelles Einlesen in die Branchenthemen notwendig. Da kann ich glücklicherweise auf großartige Kollegen, einen aktiven Vorstand und Mitglieder zurückgreifen, die ich immer anrufen kann. Für mich ist es außerdem extrem wichtig, die Mitglieder persönlich kennenzulernen. Denn ich kann die Mitglieder nur vertreten, wenn ich sie kenne. Und ich glaube, dass sich die Mitglieder nur vertreten fühlen, wenn sie wissen, wer das für sie tut. Deswegen hatte ich großes Glück, dass die Landesgruppentagungen West und Nord in meinem ersten Monat stattgefunden haben und ich dort, wie auch bei anderen internen Veranstaltungen, erste Mitglieder und die Branche kennenlernen durfte. Ich will die Reisen zu den Mitgliedern in den kommenden Wochen fortsetzen. Darauf freue ich mich, denn die Art, im bft und im Tankstellenmittelstand miteinander umzugehen, ist etwas ganz Besonderes. 

Inwiefern?
Die Offenheit, das Interesse und der Wille, etwas gemeinsam als bft zu gestalten, ist etwas, was ich bisher selten so gesehen habe. Alle, die da sind, sind nicht nur da, weil sie eine Tankstelle haben oder ein mittelständisches Energieunternehmen leiten. Es sind Mitglieder, die teilweise Familienunternehmen in zweiter oder dritter Generation führen, die sich um das Wohl ihrer Mitarbeiter sorgen, die Verantwortung für ihr Umfeld übernehmen. 

Was war Ihr Highlight in den ersten Wochen?
Ein Highlight für mich war, wie ich im bft vom Vorstand, von den Kollegen und besonders von den Mitgliedern aufgenommen worden bin. Als die Pressemitteilung zu meiner Person an die Mitglieder rausging, klingelte binnen weniger Minuten mein Telefon und das erste Mitglied lud mich zu sich ein. Das war einer der Momente, in denen ich mich angekommen gefühlt habe.

Quelle: bft-Nachrichten 3/2023

Vita:

Daniel Kaddik hat zunächst Staatswissenschaften an der Universität Erfurt studiert und nach dem Bachelor einen Master in European Studies an der Universität Hamburg und einen Master in International Studies an der Universität von Birmingham angeschlossen. Daneben besuchte er die Hong Kong Polytechnic University sowie die Higher School of Economics in Moskau. Anschließend war der 41-Jährige zehn Jahre in der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Freiheit beschäftigt, unter anderem mit Stationen in Asien und Osteuropa sowie als Projektleiter in Südosteuropa. Im November 2018 wechselte Kaddik nach Brüssel, wo er zum einen als geschäftsführender Vorstand des European Liberal Forum (ELF) eine europäische politische Stiftung mit angeschlossenem Think-Tank leitete. Zum anderen war er Mitglied der Redaktionsleitung des Future Europe Journals, das von der ELF herausgegeben wird. Daneben ist Kaddik Gründer des Unternehmens EZYcloud.org, das Non-Profit-Organisationen bei der Einführung von Salesforce unterstützt, sowie einer Agentur für politische und strategische Beratung.

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Daniel Kaddik
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