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Die Bedeutung synthetischer Kraftstoffe für einen schnellen und sozial gerechten Klimaschutz im Verkehr

„ALLE technischen Möglichkeiten für den Klimaschutz im Verkehr muss man nutzen dürfen, wenn man die Klimaziele erreichen will.“ Diese Forderung an die Gesetzgeber in Berlin und Brüssel teilt eFuelsNow, eine Gruppe von Ingenieuren und Technikern, mit dem bft und seinem Dachverband Mittelständische Energiewirtschaft Deutschland (MEW). Im folgenden Beitrag erfahren Sie, welche Lösungen aus Sicht von eFuelsNow und dem Kraftstoffforscher Prof. Thomas Willner von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg sinnvoll sind.

„Es geht nicht für oder gegen irgendeinen Antrieb, sondern dass der Autofahrer selbst wählen darf, was für ihn am besten passt. Alle Antriebe müssen defossiliert werden, denn nicht durch Dekarbonisierung, sondern nur durch Defossilisierung kann die Klimawende im Verkehr erreicht werden“, sagt Moritz Dhom von eFuelsNow. CO2-Kreisläufe finden sich überall in der Natur. Selbst der Radfahrer ist streng genommen nicht lokal emissionsfrei. Genauso wie der Mensch Energieträger aus CO2 beispielsweise in Form von pflanzlichen Lebensmitteln zu sich nimmt, muss es das Auto tun. Was zuvor an CO2 der Atmosphäre entnommen wurde, wird danach wieder emittiert. Ein fossiler Kraftstoff würde diesen Cycle zeitlich durchbrechen. Außerdem betont Dhom: „Es geht nicht um Biodiesel oder Ethanol, sondern um regenerative Kraftstoffe der neuesten Generation. Sie sind nicht aggressiv und verbrennen sauber.“

Man unterscheidet zwischen zwei Arten klimafreundlicher synthetischer Kraftstoffe: zum einen den klassischen E-Fuel (Power-to-Liquid, PtL), zum anderen reststoffbasierte paraffine, synthetische Kraftstoffe („reFuels“ mit Betonung auf R!). PtL wird ausschließlich in sonnen- und windreichen meist südlichen Ländern hergestellt. eFuelsNow symbolisiert ihn deshalb mit einer Orange. „Man würde ja Orangen auch nicht im deutschen Mittelgebirge anpflanzen. Obwohl sie bei uns nicht wachsen, essen wir sie“, erklärt Dhom. Die Nutzung von PtL macht also Sinn, denn an Gunststandorten kann man die notwendige Energie mit drei bis vier Mal mehr Nutzungseffizienz als in Deutschland ernten. Während bei uns die Windräder oft stehen, drehen sie sich andernorts pausenlos. „Dass in Casablanca die Sonne greller scheint als in Bielefeld, ist jedem klar“, so Dhom weiter. Prof. Willner verweist auf die teils fehlerhafte Effizienzdiskussion mit unrealistischen Annahmen einer Herstellung in Deutschland. 

Ingenieure unterscheiden zwischen zwei Antriebsstrategien: Zum einen gibt es die Möglichkeit, mit deutschem Grünstrom zu fahren. Dieser kann hierzulande aber nur sehr ineffizient geerntet werden. Photovoltaik (PV) und Wind liegen zusammen gemittelt bei einer Effizienz von 18 Prozent, Wind einzeln gemittelt bei 22 Prozent. Die hohen Verluste kompensiert der Elektromotor. Aber der Grünstrom reicht trotzdem nicht. 

Die zweite Strategie ist Grünstrom an Gunststandorten mit drei bis vier Mal mehr Nutzungseffizienz als in Deutschland zu ernten und als E-Fuel zu uns zu bringen. „Wir müssen sowieso grüne Moleküle importieren“, betont Prof. Willner. Dieser Import erfolgt über grünen Wasserstoff (H2), transport -und lagerfähig als E-Fuels, also flüssigem Grünstrom. Grafiken des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) und von Frontier Economics zeigen, dass man dann auf ähnliche Effizienzen kommt wie beim BEV. Denn einen Mangel an grüner Energie gibt es nur in Deutschland, aber nicht weltweit, wie eine Grafik des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) verdeutlicht. Diese zeigt den Flächenbedarf für PV zur Energieversorgung der ganzen Erde. Auf einer Fläche circa halb so groß wie Libyen ist der weltweite Energiebedarf realisierbar. Länder wie Chile haben zum Beispiel 70 Mal mehr grüne Energie, als sie selbst brauchen. Sie werben explizit für den Export.

Schaubild Gesamtsystemeffizienz KIT

Grafik: Viele Grafiken rechnen mit einer unrealistischen E-Fuels-Produktion in Deutschland. E-Fuels werden aber ausschließlich in meist südlichen, wind- und sonnenreichen Ländern hergestellt. (Quelle: Karlsruher Institut für Technologie (KIT), Prof. Thomas Koch, Vorlesung „Nachhaltige Antriebssysteme“) 

Die Gesamtbetrachtung vom Sonnenstrahl beziehungsweise Windstoß bis zum Rad zählt. Auch der Elektromotor braucht vortransformierten Strom. Und das Drehmoment muss an die Räder verteilt werden. Letztlich kommt man immer auf Effizienzen von circa 10 bis 20 Prozent am Rad. Wieviel man erreicht, ist jedoch letztendlich egal. Effizienz ist kein Selbstzweck. Sie ist nur bei Mangel und Kostenvorteilen relevant. Beides ist nicht der Fall. An Gunststandorten liegt der Strompreis bei etwa 1 ct/kWh. Ein kompletter Austausch des Fahrzeugbestands und der Aufbau einer neuen Infrastruktur sind kosten- und zeitintensiv und erfordern viel Energie und Ressourcen. Der Neuwagen-Footprint ist klein und bei Bestands-Pkw nicht existent. Durch Weiternutzung der Infrastruktur werden riesige Footprints eingespart. Ein E-Fuel entsteht letztlich mit Wind- und PV-Strom. Dazu kommen CO2 und Wasser. Aramco rechnet mit etwa 0,80 ct/l.

HVO – der schnellste und effizienteste Weg 

Selbst wenn man von grünem Energiemangel ausginge, wären Autofahrer mit Hydrotreated Vegetable Oil (HVO, dt.: hydriertes Pflanzenöl) am stromeffizientesten unterwegs. Deshalb vergleicht eFuelsNow diesen Kraftstoff aus Rest- und Abfallstoffen mit einem Apfel, der auch in Europa wächst. Aktuell wird HVO nach dem üblichen Raffinerieverfahren hergestellt. Um eine Vorstellung der Größenordnung zu bekommen: Für die Produktion konventioneller Kraftstoffe liegt der Strombedarf bei ca. 0,04 bis 0,05 kWh/l. HVO100 ist bis zu 90 Prozent klimaneutral. „Künftig kann er auch 100 Prozent klimaneutral sein, wenn er mit grünem H2 hergestellt ist“, betont Willner. Der Strombedarf werde dann zwar höher sein. Man fahre aber immer noch stromeffizienter als mit dem BEV, ergänzt er. 

Der Reststoff enthält sehr viel Energie, so dass wenig zusätzlicher grüner Wasserstoff (Strom) für die Herstellung ergänzt werden muss. Willner ermittelte circa 1,5 kWh/l („Waste-to-Fuel“). Ein so betankter Pkw (5 l auf 100 km) ist dann mit lediglich mit 7,5 kWh/100 km Strom unterwegs. Das ist zwei bis drei Mal weniger Strom, als ein BEV benötigt. HVO kann aus unterschiedlichsten Reststoffen hergestellt werden. Meist sind es Altfette. Prinzipiell eignen sich aber fast alle Kohlenstoff-haltigen Abfälle, um entsprechende synthetische Kraftstoffe herzustellen. Die Produktion wird sich von 2020 bis 2025 vervierfachen (Quelle: Greenea). „HVO tanken, heißt sofortiger Klimaschutz“, betont Dhom. Das in Lebensmitteln übliche Palmöl ist im HVO verboten. „Dass Reststoffe nicht gut schmecken und man sie auch nicht auf dem Acker anbauen kann, sollte eigentlich klar sein“, fügt er hinzu.

Grafik Effizienz von HVO (c) HAW Hamburg.png

Grafik: Künftiger HVO erreicht 100 Prozent CO2-Reduktion. Er enthält grünen H2 und ist dennoch deutlich stromeffizienter als ein BEV („Waste-to-Fuel“). Heutiger HVO ist sogar noch stromeffizienter. (Quelle: HAW Hamburg)

Die Mitglieder von eFuelsNow tanken HVO100 heute schon in ihre privaten Pkw. Aktuell kostet er 1,85 €/l (Stand: März 2023). Einige Mitglieder sind schon über 100.000 Kilometer damit gefahren. Sie berichten von mehr Laufruhe, besserem Durchzug und gesunkenen Rohemissionen. Der AdBlue-Verbrauch sinkt. Dazu kommt natürlich das Thema Umwelt: Der Hersteller Neste spricht von 90 Prozent CO2-Reduktion, fast 10 Prozent weniger NOx und über 30 Prozent weniger Ruß. Außerdem bieten PtL-Designer-Kraftstoffe große Potenziale zur Emissionsreduzierung. Das Kopernikus-Projekt arbeitet an solchen Kraftstoffen. Sie können aufgrund des fehlenden Rohöls viel freier gestaltet werden. Wo Luft verarbeitet wird, kann auch Luft gereinigt werden. Dhom ergänzt: „Der Euro 6d-Diesel ist bereits heute extremst sauber.“

Auf der weltweiten Tankkarte sieht man eine beachtliche Anzahl von Tankstellen. Über 10.000 sind schon mit unterschiedlichen HVO-Anteilen markiert. eFuelsNow geht aber von deutlich mehr aus. Europaweit gibt es circa 1.400 Tankstellen mit HVO100. In den USA sind es weitere 1.400 Stationen mit 80 bis 95 Prozent HVO. Einige Länder haben bereits 25 bis 45 Prozent des Dieselmarkts defossilisiert, den größten Teil mit HVO. Besonders Skandinavien und Kalifornien sind hier weit vorne. Manche Länder wollen ihren Dieselmarkt bis 2030 sogar zu 100 Prozent defossilisieren. Zwischen 2020 bis 2025 wird sich die Produktion laut Greenea um den Faktor 4 erhöhen. In Schweden fordert das Umweltamt mehr solche Kraftstoffe, genauso wie die schwedischen Grünen. Bei uns sind aktuell nur Beimischungen nach DIN EN 590 zulässig. Je nach Gewicht des fossilen Diesels liegt die Beimischungsquote bei circa 26 Prozent HVO. Manchmal erreicht man auch höhere HVO-Anteile. 

Karte eFuelsNow

Karte: Karte mit HVO-/XtL-Tankstellen: blau = bis 50 Prozent HVO, dunkelrot/rot = 80 bis 100 Prozent HVO (Stand: März 2023; Quelle: https://efuelsnow.de/tankstellen-karte)

HVO100 gibt es auch an einigen Tankstellen in Deutschland (zum Beispiel als KlimaDiesel90 oder DieselMaxx), allerdings nur für eingeschränkte Nutzerkreise. Die Anpassung der 10. BImSchV ermöglicht künftig den freien Verkauf (mehr dazu in der Rubrik „Neues aus Berlin“). Für den Hochlauf der Produktion ist es wichtig, dass die Richtlinien zur CO2-Reduktion angepasst werden. Aber auch bereits der Verkauf an der Tankstelle erzeugt Kundenimpulse, die für den Hochlauf von Bedeutung sind.

Ziel nicht Maßnahmen vorgeben

Von den Bürgervertretern fordert eFuelsNow ebenso wie der bft Technologieoffenheit. Die Politik soll lediglich mit den Bürgern abgestimmte, übergeordnete Ziele vorgeben (zum Beispiel CO2 = 0), niemals Wege. Ein zielfokussierter marktwirtschaftlicher Wettbewerb bringt immer das beste Produkt von allein. eFuelsNow betont: Für die Umsetzung braucht es Ingenieure, die Konzepte entwickeln, die weltweit einsetzbar sind und für jeden Anwender passen. Denn Klimaschutz ist ein globales, technisches Thema, das Deutschland allein nicht lösen wird. Besonders die Zuteilung von E-Fuels auf bestimmte Sektoren (Flugzeug und Schiff) hemmt die Hochlaufimpulse und somit auch die CO2-Reduzierung. Das sagen auch Wissenschaftler und Produzenten (siehe Podiumsdiskussion „E-Fuels für die Freiheit“, Bundestag, Juli 2022). Diese Sektoren benötigen zu geringe Mengen. Bei der Herstellung von Kerosin entsteht außerdem Pkw-Kraftstoff als Koppelprodukt. Zuteilung führt immer zu Mangel. „Ohne synthetische Kraftstoffe werden 99,5 Prozent der weltweiten Fahrzeugflotte fossil weiterfahren. Es gibt also keine Alternative“, betont Dhom.

Fazit

Wichtig sei auch zu verstehen, wie CO2 reduziert wird. Die Reduktion erfolgt bei der Förderung. Der Chef des ifo-Institutes Prof. Hans-Werner Sinn verweist regelmäßig auf diesen Zusammenhang. Erst wenn ein Ersatzprodukt vorhanden ist, mit dem die Förderländer das fossile Ölgeschäft kompensieren können, bleibt das Öl im Boden. Denn alles was gefördert wird, das wird auch verbrannt. 

Alle Sektoren zu 100 Prozent zu verstromen ist definitiv der falsche Weg. Denn 80 Prozent des weltweiten Stroms sind fossil. Strommenge und Verteilung begrenzen die Realisierbarkeit. Ein kosten- und zeitintensiver Umbau der gesamten Technikwelt, parallel zu der Defossilisierung der Energie, ist nicht nur teuer. Er erzeugt auch riesige CO2-Footprints und verhindert die Erreichung der Klimaziele.

Hinweis: Wer an seiner Station HVO anbietet, kann eine Mail an vasb@rshryfabj.qr schreiben, um seine Station auf der Tankkarte markieren zu lassen.

Pressekontakt
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Daniel Kaddik
Geschäftsführer

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